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Griechenland
Gestörte Urlaubsträume

Die Flüchtlingskrise hat am Urlaubsimage der griechischen Inseln in der Ostägäis gekratzt. Lesbos, Chios oder Samos verzeichnen dramatische Rückgänge bei den Buchungszahlen. "Dreaming of Chios" heißt eine Initiative, mit der Tourismusunternehmer Urlauber auf die Insel zurückholen wollen - dem schlechten Image zum Trotz.

Von Wolfgang Landmesser | 18.05.2016
    Auf einem Zelt im Flüchtlingslager Chios in Griechenland steht "Nicht in die Türkei, nicht hier bleiben, lasst uns nach Europa gehen."
    Auf einem Zelt im Flüchtlingslager Chios in Griechenland steht "Nicht in die Türkei, nicht hier bleiben, lasst uns nach Europa gehen." (AFP / Louisa Gouliamaki)
    Die Ferienanlage thront auf einem Hügel über dem Meer: Links geht der Blick auf die Marina, rechts auf einen einsamen Strand. Volissos im Nordwesten der Insel Chios ist ziemlich abgelegen. Mit ihren Volissos Holiday Homes will Antigoni Maistrali Touristen anziehen, die im Urlaub das Besondere suchen.
    "Unsere Gäste lieben es hier, weil es so ruhig und ganz anders ist, weil es keinen Massentourismus gibt. Es ist alles eher individuell. Und ich würde sagen, es gibt richtige Chios-Liebhaber."
    Unter den Pinienbäumen bekommen die Gäste ein typisch griechisches Frühstück serviert – und können bei einem Glas hausgemachter Mandarinenlimonade die Abgeschiedenheit genießen. In den vergangenen Jahren waren die Drei-Sterne-Appartments in der Saison ausgebucht.
    Aber dieses Jahr ist alles anders. Chios ist eine der Inseln in der Ostägäis, wo in den vergangenen Monaten Tausende Flüchtlinge angekommen sind. Das schreckt Touristen ab. Dabei sei hier überhaupt nichts von der Flüchtlingskrise zu spüren.
    "Die Gegend ist noch genauso schön und ruhig wie vorher. Obwohl es hier keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema gibt, sind wir trotzdem die großen Verlierer. Die Reservierungen sind um mehr als 50 Prozent zurück gegangen. Stornierungen haben wir persönlich nicht, aber es gibt keine neuen Buchungen."
    Rund 2.500 Flüchtlinge sind derzeit auf Chios. In zwei Lagern außerhalb der Inselhauptstadt und in der Nähe des Hafens warten sie auf eine Entscheidung über ihre Asylanträge. Außerhalb von Chios-Stadt ist vom Flüchtlingsdrama nichts zu sehen.
    Das Besondere an Chios sei die unberührte Natur, die traditionelle Mastixproduktion und die einsamen Dörfer, sagt Maria Kouda von der Tourismuszentrale der Insel. Während die Quartiere in der Inselhauptstadt durch die vielen offiziellen und freiwilligen Helfer gut gebucht sind, hat es die die Hotels und Gaststätten im Rest der Insel schlimm erwischt.
    "Sie müssen einfach abwarten und damit leben. Aber für diese Saison haben sie wenig Hoffnung. Die Buchungen gehen deutlich zurück; die Reiseveranstalter wollen nicht das Risiko eingehen, Flüge anzubieten, die dann wegen dem Flüchtlingsproblem nicht ausgelastet sind."
    In der vergangenen Saison gab es sieben direkte Charterflüge nach Chios, in diesem Jahr nur noch drei. Und das, obwohl seit dem Deal zwischen der EU und der Türkei kaum noch Flüchtlinge neu auf den griechischen Inseln ankommen.
    Zum Glück haben wir die Türken, meint die Frau von der Tourismuszentrale – Chios ist ein beliebtes Ziel für Wochenendbesucher von der anderen Seite der Ägäis. Aber die türkischen Gäste können den Rückgang bei den Urlaubern aus Europa nicht ausgleichen. Mit speziellen Aktionen halten Antigoni Maistrali und andere Tourismusunternehmer dagegen.
    Vor einer Woche haben sie auf Facebook die Kampagne "Dreaming of Chios" gestartet: Freunde und Stammgäste schicken Selfie-Videos – mit einer persönlichen Botschaft. Schon in den ersten Tagen gab es Dutzende Reaktionen.
    Antigoni weiß, dass es eine schwierige Saison wird. Sie hofft noch auf Lastminute-Buchungen und Gäste aus den USA oder Australien, deren Familien aus Chios stammen. Für die Zukunft aber bleibt sie optimistisch.
    "Ich hoffe, dass in zwei, drei Jahren, viele Leute, die über die Flüchtlingskrise von Chios gehört haben, sagen werden: Fahren wir vielleicht einfach mal auf diese Insel."