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Die Anfänge der Landwirtschaft

Charakteristisch für die Jungsteinzeit ist die Hinwendung zu Ackerbau und Viehzucht. Vor etwa 11.000 Jahren sollen die Menschen damit begonnen haben, so eine grobe Übereinkunft von Archäologen. Nun aber berichten Forscher, dass sie erste Anzeichen einer Landwirtschaft in China ausmachen konnten, die rund 20.000 Jahre alt ist.

Von Michael Stang | 19.03.2013
    Die Geschichte der Pflanzenverarbeitung geht vermutlich viel weiter in die Vergangenheit zurück, als viele Forscher das vermuten, sagt Li Liu von der Stanford University in Kalifornien.

    "Um herauszufinden, wo und wann die Landwirtschaft ihre Ursprünge hat, muss man sich die ganze Steinzeit vornehmen, nicht nur die Anfänge der Jungsteinzeit. Unsere These ist, dass es eine lange Tradition der Pflanzenverarbeitung gegeben haben muss, bevor die ersten Bauern tatsächlich Pflanzen angebaut haben."

    Die ersten Pflanzen, die gezielt für Nahrungsmittel und medizinische Zwecke verarbeitet wurden, waren Wildpflanzen. Eine Domestikation dieser Gewächse war damals, so Li Liu, noch nicht absehbar. Damit meint sie nicht nur den gezielten Anbau von Getreide oder Gemüse, sondern auch Veränderungen im Erbgut und Aussehen: etwa ein gesteigertes Größenwachstum, ein höherer Stärkegehalt, größere Fruchtstände und ein generell höherer Ertrag. Bevor es überhaupt zum Anbau von Pflanzen kommen konnte, mussten sich die damaligen Jäger und Sammler gut mit den Pflanzen ausgekannt haben. Um sich an die Ursprünge dieser gezielten Pflanzennutzung heranzutasten, untersuchte Li Liu nun die ältesten Mahlsteine, die je in Asien gefunden wurden, ausgegraben zwischen 2000 und 2005 in Nordchina in Jixan in der Provinz Shanxi. Dabei handelte es sich um Steine, mit denen Pflanzen schon vor bis zu 23.000 Jahren verarbeitet wurden.

    "Wir haben zwei Methoden verwendet. Zum einen haben wir die Steine unter dem Mikroskop angeschaut um zu sehen, welche Einkerbungen die Pflanzen dort hinterlassen haben, da haben wir auch mit Experimenten Vergleichsproben erstellt. Zum anderen haben wir die Stärke, die den Steinen anhaftete, untersucht und mit der Stärke heutige Pflanzen verglichen, um zu sehen, welche Pflanzen damals mit den Werkzeugen verarbeitet wurden."

    Dabei sahen die Forscher, dass schon vor mehr als 20.000 Jahren in China eine ganze Reihe an Pflanzen verwendet wurde: Wurzeln der Schlangenhaargurke wurden mehrfach zermahlen. Diese zu den Kürbisgewächsen gehörenden Pflanzen sind nicht nur zum Verzehr geeignet, sondern werden auch heute noch zur medizinischen Behandlung verwendet. Des Weiteren konnten Li Liu und ihre Kollegen aus China und den USA verschiedene Bohnen, Wurzeln, Knollen und Gräser nachweisen. Kurz gesagt: Am Ende der letzten Eiszeit war die Verarbeitung von Pflanzen schon lange etabliert.

    "Wenn wir das jetzt mit den Ergebnissen anderer Ausgrabungsstätten vergleichen, vor allem mit Plätzen im Nahen Osten, dann sehen wir viele Parallelen. Am Ende der letzten Eiszeit hatten die Menschen schon lange damit begonnen, Pflanzen gezielt zu nutzen und zu verarbeiten. Das, was wir jetzt in China gefunden haben, finden wir auch im Nahen Osten. China ist nicht einzigartig, also in dem Sinn, dass dort die Landwirtschaft erfunden wurde. Es zeigt vielmehr, dass diese Entwicklung, die Nutzung von Pflanzen, ein Trend in der Geschichte der Menschheit war."

    Warum die Menschen jedoch erst tausende Jahre später anfingen, Pflanzen gezielt anzubauen, sei nicht klar, so Li Liu. Irgendeine Veränderung hat sie wohl dazu bewegt. Zum einen könnten veränderte klimatische Bedingungen zu einem Umdenken geführt haben, ebenso könnte ein Anstieg der Bevölkerung als Triebfeder gewirkt haben. Klar sei nur, dass China hinsichtlich der kulturellen Entwicklung ein wichtiger Platz in der Geschichte der Menschheit gebühre.