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Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band

STEHEN, im Schatten des Wundenmals in der Luft.

Helmut Böttiger | 23.06.2003
    Für niemand-und-nichts-Stehn. Unerkannt, für dich allein.

    Mit allem, was darin Raum hat, auch ohne Sprache.

    Diese Stimme stand lange für sich allein. Fremd erschien sie in der deutschen Nachkriegszeit, von einem ungewohnten Pathos, und sie knüpfte an eine dichterische Tradition an, die in die Kahlschlag-Literatur der fünfziger Jahre überhaupt nicht passte. Erst lange nach dem Freitod Paul Celans 1970 erfuhr man Näheres. Es fällt auf, wieviele Bücher von Paul Celan zuletzt in kurzen Abständen aus dem Nachlass veröffentlicht worden sind. Beinahe jede Saison erschien ein neuer Band: die Briefwechsel mit Nelly Sachs, mit Franz Wurm, mit Hanne und Hermann Lenz, mit seiner Frau Gisèle sowie einen umfangreichen Dokumentationsband zu der von Claire Goll ausgelösten vermeintlichen Plagiats-Affäre. Nun liegt auch eine erste kommentierte Gesamtausgabe von Celans Lyrik vor, als eine Art Zusammenfassung all dessen, was vorher peu à peu, in systematisch vorgenommenen kleinen Schritten, von den Lebensumständen des Dichters an die Öffentlichkeit gebracht worden war. Der weitreichende Einblick in den biografischen Hintergrund dieser Gedichte, den wir nun haben, wäre so vor zehn Jahren nicht einmal im Ansatz vorstellbar gewesen.

    Man wusste kaum etwas von der Situation, in der Celans Werk entstanden war. Vor allem die beiden letzten Lebensjahrzehnte lagen im dunkeln. Geheimnisvoll war auch seine Herkunft, die Welt eines deutschsprachigen Juden, der 1920 in Czernowitz geboren worden war, dem ehemaligen östlichsten Kronland der Habsburgermonarchie mit einem Vielvölkergemisch. Es gab Celans Gedichte, aber diese Gedichte erschienen geheimnisvoll, schwer zu entschlüsseln. Celan galt schon in den sechziger Jahren als "hermetischer" Lyriker, als einer, der sich dem landläufigen Verständnis entzieht. Seine Texte wurden im Lauf der Zeit immer karger, mit Worten, die man nicht kannte, aus entlegenen Wörterbüchern und Fachsprachen, und mit ungeahnten Wortverbindungen, die Vorstellungsbereiche zusammenbrachten, die man nur schwer zusammendenken konnte.

    WORTAUFSCHÜTTUNG, vulkanisch, meerüberrauscht.

    Oben der flutende Mob der Gegengeschöpfe: er flaggte – Abbild und Nachbild kreuzen eitel zeithin.

    Bis du den Wortmond hinaus- schleuderst, von dem her das Wunder Ebbe geschieht und der herz- förmige Krater nackt für die Anfänge zeugt, die Königs- geburten.

    Kein Wunder, dass Celan eine germanistische Paradedisziplin ist. Diese Lyrik, die die Sprache selbst thematisierte, bot anscheinend die besten Voraussetzungen dafür, sich wissenschaftlich zu profilieren. Die Sekundärliteratur trat schnell über alle Ufer. Die ganze Generationenabfolge von den jeweils herrschenden Modediskursen kann man an der Celanforschung detailliert ablesen, von Linguisten, Strukturalisten und Poststrukturalisten, von den positivistischen Wortfeldsammlern bis zu den dekonstruktivistischen Derridaabkömmlingen. Und bei Celan fühlten sich natürlich auch die gemeint, die immer noch in der Sprache Heideggers unterwegs waren und unablässig das Unsagbare zu sagen wagten. Von etlichen Eifersüchteleien, heftiger Konkurrenz und diversen akademischen Kniebeugen künden die verschiedenen Forscher und Forschungsgruppen. Es blieb bald nicht mehr nur bei der "Historisch-Kritischen-Gesamtausgabe", die als erstes in Angriff genommen wurde, andere Ausgaben traten hinzu, und das Ganze wurde dadurch verschärft, dass die Witwe Celans, Gisèle Celan-Lestrange, den Nachlass Celans fast ausschließlich sperrte – mit allen Dokumenten, Briefwechseln, Tagebüchern und Notizen, die die Vieldeutigkeit seiner Texten konkreter machen konnten.

    Wer als Germanist Giséle Celan-Lestranges Vertrauen gewann, war sehr nah an einem beträchtlichen Herrschaftswissen, auch wenn sich das nicht sofort in Veröffentlichungen niederschlagen konnte. Celans Witwe schützte ihren Mann noch lange über seinen Tod hinaus. Als sie 1992 starb, wurde ihr 1955 geborener, gemeinsamer Sohn Eric zum Alleinerben. Es war abzusehen, dass sich damit sich in gewisser Weise die Rahmenbedingungen änderten. Durch den Briefwechsel von Celan mit seiner Frau, in dem vor zwei Jahren zum ersten Mal die zentralen Momente in Celans Leben öffentlich gemacht wurden, wird offenkundig, wie sehr Gisèle Celan-Lestrange sich mit dem Werk ihres Mannes identifizierte, wie sie darin eingebunden war. Eric Celan lockerte die Bestimmungen, er beauftragte den Germanisten Bertrand Badiou mit dem Nachlass, und Stück für Stück drang ein Teil der bisher sorgsam der Öffentlichkeit entzogenen Dokumente ans Licht. Die Herausgeberin der seit 1993 im Suhrkamp-Verlag erscheinenden Celan-Briefwechsel und Dokumentionen, Barbara Wiedemann, hatte sich bei Celans Witwe schon früh offiziell die Rechte für die Übersetzung der wenigen rumänischen Texte Celans gesichert, aus seiner Bukarester Zeit von 1945 bis 1947. Dass sie jetzt als Herausgeberin der ersten "kommentierten Gesamtausgabe" Celans zeichnet, ist zweifellos eine herausragende Position.

    Die konkreten Bedingungen, unter denen Celan seine Gedichte in den fünfziger und sechziger Jahren schrieb, die konkreten Hintergründe und Anspielungen wurden bereits durch die Edition des Briefwechsels mit seiner Frau öffentlich gemacht. Die jetzt vorliegende Gedichtausgabe fasst im großen und ganzen zusammen, was an nachweisbaren Bezügen in Celans Gedichten existiert. In einzelnen Fällen gab Bertrand Badiou der Herausgeberin auch Informationen abseits dessen, was ihr eh zur Verfügung stand, und das waren vor allem die Notathefte des Dichters sowie seine Bibliothek.

    Celans Bibliothek ist äußerst aufschlussreich. Celan hat bei seinen Lektüren häufig Wörter angestrichen, die sich dann in seinen Gedichten finden – seltene, auffällige oder bildhafte. Es ergeben sich unerwartet konkrete Bezüge. Aus "Brehms Tierleben" etwa entnahm Celan die Bezeichnungen für Lebewesen wie "Steindattel", eine Muschelart, oder "Lungenqualle" – diese Wörter tauchen als Chiffren, die einen neuen Assoziationshorizont erschließen, in Gedichten von ihm wieder auf. Besonders fruchtbar scheint die Lektüre von Jean Pauls "Kampaner Thal" und Arno Schmidts "Leviathan" gewesen zu sein, hier schrieb sich Celan viele Wörter heraus, die ihm unverbraucht schienen, die er in seiner Lyrik neu intonieren konnte. Bei Jean Paul finden sich Wörter, die Tausende von Celan-Exegeten in aller Welt bisher in ihrer Rätselhaftigkeit ins Schwitzen gebracht haben, Wörter wie "Schneegarn", "Sprachgitter", "Schlafkorn" oder "Neben-Erde". Das Wort "Nebenerde" beispielsweise taucht am Anfang von Jean Pauls im Jahr 1797 veröffentlichten wundersamen Geschichte "Das Kampaner Thal" auf. Dort heißt es:

    Ich schlug häufig in der Destillazion über den Helm das Phlegma der Erdkugel nieder, die Polarwüsten, die Eismeere, die russischen Wälder, die Eisberge und Hundsgrotten, und extrahirte mir dann eine schöne Nebenerde, ein Nebenplanetchen, aus dem Ueberrest; man kann eine sehr hübsche, aber kleine zusammengeschmolzene Erde zusammenbringen, wenn man die Reize der alten exzerpirt und ordnet.

    Celan stellt die Nebenerde in einem Gedicht aus dem 1963 erschienenen Band "Die Niemandsrose" in folgenden Zusammenhang:

    WAS GESCHAH? Der Stein trat aus dem Berge. Wer erwachte? Du und ich. Sprache, Sprache. Mit-Stern. Neben-Erde. Ärmer. Offen. Heimatlich.

    Wohin gings? Gen Unverklungen. Mit dem Stein gings, mit uns zwein. Herz und Herz. Zu schwer befunden. Schwerer werden. Leichter sein.

    Bei Arno Schmidt streicht Celan in ähnlicher Weise Wörter an, die sich dann, in völlig anderer Umgebung und oft auch in anderer Form, in seinen Gedichten wiederfinden. Aus Arno Schmidts Aufzählung "Gries, Gestein und Hartwuchs" wird bei Celan "Hartwuchs im Herzen". Bei Arno Schmidt steht "am hellen Mittag; warm und dicht, grünlich vom verwischten Pflanzengeleucht", bei Celan wird daraus "atemgeflecktes Geleucht". Bei Arno Schmidt heißt es: "lange Schatten hingen verrenkt im schweigenden Geklüft", bei Celan gibt es dann ein "Sterbegeklüft". In höchster Weise inspirierend waren für Celan Fachwörterbücher und naturwissenschaftliche Schriften.

    So werden bei ihm Wörter zu lyrischen Chiffren, die konkrete medizinische Begriffe sind: "Rautengrube" zum Beispiel, "Sehpurpur" oder "Hirnmantel". Das Gedicht "Nah, im Aortabogen" ist gar auf der inneren Umschlagseite des Bandes "Der Körper des Menschen" von Adolf Faller im Stuttgarter Thieme-Verlag niedergeschrieben worden, einem Buch, das etliche Termini für Gedichte bereithielt. Am reichhaltigsten ist in ihrer Lexik, in ihrer poetischen Benennung für Celan aber offensichtlich die Geologie gewesen. Die Naturgeschichte bot, abseits des menschlichen Eingriffs, ein Reservoir, das widerständig schien, das nicht von der menschlichen Geschichte und Verwendung korrumpiert werden konnte. Es gibt etliche Untersuchungen, die sich den geologischen Begriffen bei Celan stellen und die doch, notwendigerweise, im Fragen verharren. Wenn man jedoch zur Hand hat, was in Celans Bibliothek stand, wird alles – zunächst – ganz einfach. Verweilen wir ein bisschen länger bei dem Gedicht "Weggebeizt" aus dem Band "Atemwende" von 1966, einem zentralen poetologischen Text. Celan hat es auf einer legendär gewordenen Lesung im Audimax der Universität Freiburg am 24. Juli 1967 vor 1200 Zuhörern öffentlich so vorgetragen:

    WEGGEBEIZT vom Strahlenwind deiner Sprache das bunte Gerede des An- erlebten – das hundert- züngige Mein- gedicht, das Genicht.

    Aus- gewirbelt, frei der Weg durch den menschen- gestaltigen Schnee, den Büßerschnee, zu den gastlichen Gletscherstuben und –tischen.

    Tief in der Zeitenschrunde, beim Wabeneis wartet, ein Atemkristall, dein unumstößliches Zeugnis.

    In diesem Gedicht hebt sich Celan nicht nur einfach von der Umgangssprache ab, von den falsch gewordenen, handelsüblichen Wörtern, die fremdbestimmt sind. Er sucht nach seiner eigenen Sprache, nach seinem, wie es heißt, "unumstößlichen Zeugnis". Dazu gäbe es viel zu sagen und zu interpretieren, doch bleiben wir erst einmal nur bei Worten, die in ihrer Fremdheit als erstes ins Auge fallen: "Büßerschnee", "Gletscherstuben und –tische", "Wabeneis". Celan besaß ein Buch aus der Sammlung Göschen, in der zweiten Auflage von 1895: "Physische Geographie" von Siegmund Günther. Es zeigt auffällig viele Lesespuren. Und wir finden hier auch das Wort "Büßerschnee":

    Ein besonderer Typus des Binneneises ist der chilenisch-argentinische; Schneefelder sowohl wie Gletscher zeigen sich aufs äußerste zerklüftet, in eine Menge hoher, sonderbar geformter Säulen zerlegt, welche die Neuspanier als "nieve penitente" (Büßerschnee) bezeichnen.

    Und wir finden hier auch etwas über die "gastlichen Gletscherstuben und –tische":

    Oberflächliche Abschmelzung hat auch zur Folge, dass rings um ein durch darüber gelagerte Felsstücke gelagertes Flächenstück das Eis sich verzehrt, so dass endlich nur noch ein Gletschertisch mit schmalem Eisfuße übrig geblieben ist. Die mehrfach erörterte Frage, ob sich im Innern eines Gletschers Wasseransammlungen – sogenannte Gletscherstuben – bilden könnten, ist noch nicht als spruchreif zu erachten.

    Und weil es so poetisch ist, zitieren wir auch gern die Stelle, an der in Siegmund Günthers "Physischer Geographie" das "Wabeneis" beschrieben wird:

    Anders verhält es sich mit den eigentlichen Eishöhlen oder Eisgrotten im Innern der Berge, deren Eis ein eigentümlich löcheriges Aussehen hat (Alveolarstruktur, Wabeneis).

    Viele Germanisten haben sich bemüht, dem offenkundig geologischen Ursprung dieser Chiffren auf die Spur zu kommen. Gerhard Buhr zum Beispiel hat eine detaillierte, eingehende Studie zum Gedicht "Weggebeizt" veröffentlicht, in der die semantische Struktur bis ins Kleinste ausgeleuchtet wird, auch unter Zuhilfenahmen geologischer Fachlexika. Aber er hatte natürlich nicht jenes Bändchen aus der Sammlung Göschen von 1895 zur Hand, das Celan benutzt hatte.

    Solche Funde sind in dieser kommentierten Gesamtausgabe der Gedichte Celans natürlich die Ausnahme, auch wenn die Fleißarbeit in Celans Bibliothek und hinterlassenen Notaten immer wieder Früchte trägt. Über weite Strecken wird der Kommentar von ziemlich ermüdendem germanistischen Rüstzeug bestimmt, und der interessierte Leser blättert weiter. Die Veröffentlichungen von frühen Celan-Gedichten aus der Czernowitzer und Bukarester Zeit in deutschsprachigen rumänischen Zeitschriften nach Celans Tod 1970, die dort eine immense Bedeutung hatten, führt die Herausgeberin immer ausdrücklich als "nicht autorisiert" auf – da scheint es ihr um etwas anderes zu gehen als einfach um das korrekte Bibliographieren. Strikte Wissenschaftlichkeit, das ist das Credo dieser Ausgabe, aber deswegen fällt es umso stärker auf, wenn die Herausgeberin sich ein bisschen subjektiv hervorwagt. So zieht sie in den Erklärungen zu dem Wort "Polyphem", das in einem spaßhaften Gelegenheitsgedicht genannt wird, eine Parallele zur Goll-Affäre, die rein assoziativ ist und gegen das Prinzip der positivistischen Nachweisbarkeit verstößt. Schon in ihrem Dokumentationsband zur Goll-Affäre fiel auf, dass sie manchmal zu einer Überidentifikation mit ihrem Forschungsgegenstand neigt. In Peter Rühmkorfs kritischen Bemerkungen zu Celan in jener Zeit witterte sie etwa sofort Antisemitismus, obwohl es sich offensichtlich bloß um lyrischen Futterneid und die übliche Literaturbetriebskonkurrenz handelte.

    Auch als nüchterne Fakten präsentierte Kommentarstellen scheinen gelegentlich anfechtbar. Einmal erklärt die Herausgeberin, wegen der zeitlichen Übereinstimmung und ohne Wort-Belege, ein recht weit ausholendes Gedicht als direkte Reaktion auf eine Kritik in der "Stuttgarter Zeitung" – sollte Celan, 1959 in Paris, wirklich am Tag ihres Erscheinens die Stuttgarter Zeitung gekauft haben? Das ist zumindest aus vertriebstechnischen Gründen anzuzweifeln. Eine andere Kritik, die ihn nachweisbar sehr beschäftigte und die vom damals sehr bekannten Literaturkritiker Günter Blöcker stammte, nahm Celan jedenfalls erst wahr, nachdem sie ihm einige Tage später zugeschickt worden war. Ähnliches könnte man zur bekannten "Einhorn"-Stelle im Gedicht "Schibboleth" sagen, das auf den Spanischen Bürgerkrieg anspielt: "Einhorn, du weißt um die Steine...". Hier wurde bisher immer neben dem Bezug zum dichterischen Fabelwesen auch eine Anrufung des Czernowitzer Jugendfreundes Erich Einhorn gesehen. Beide sympathisierten mit dem Kommunismus und nahmen gemeinsam Anteil an den Nachrichten über den Spanischen Bürgerkrieg, in späteren Jahren trat Celan mit Einhorn wieder in einen Briefwechsel. Die Herausgeberin Wiedemann zitiert mit einem gewissen Besitzerstolz zwei Briefstellen, mit denen sie beweisen möchte, dass Celan in dieser Zeile keineswegs an Erich Einhorn gedacht habe – doch wenn man an den Kontext der Geschäftsbriefe eines Lyrikers denkt, an stillschweigende Anklänge und die Ironie des Wissenden, dann ist die faktizistische Lesart der Herausgeberin vielleicht doch nicht die letzte Lösung aller Fragen.

    Mit dem schmalen Grat zwischen Positivismus und den Duftnoten des Herausgebers ist es so eine Sache. Wiedemann zitiert öfter Äußerungen Celans zu einzelnen Gedichten als Belegstellen. So könnte man sich bei der "Todesfuge" durchaus auch vorstellen, dass Celans spätere Bemerkung, dieses Gedicht sei in der Rezeption der Bundesrepublik "lesebuchreif gedroschen" worden, wichtig genug ist, um als Referenzstelle im Kommentar zu erscheinen – Celan sah in der schnellen Bereitschaft bundesdeutscher Leser, betroffen und identifikatorisch auf die "Todesfuge" zu reagieren und sich dadurch von der Judenvernichtung freizusprechen, ein Weiterwirken des deutschen Dilemmas. Doch jenes Zitat erscheint nicht. Ein anderes Beispiel ist das Gedicht "Bahndämme, Wegränder, Ödplätze, Schutt": hier sind die Bezüge zu Ingeborg Bachmann offenkundig, auch wenn es keine konkreten Bachmann-Zitate gibt – die Herausgeberin beschränkt sich jedoch auf Belegstellen über den frühen Wiener Aufenthalt Celans, den das Gedicht thematisiert, ohne jene zentrale Liebesbeziehung der Wiener Zeit zu erwähnen. Aber Ingeborg Bachmann ist ein heißes Thema, hier liegt noch vieles unter Verschluss – vor allem der Briefwechsel zwischen den beiden Autoren.

    So ist auch die wissenschaftliche Haltung Schwankungen unterworfen, lehnt ihre Objektivität häufig nur an konkrete Zeitbedingungen an. Was bleibt, sind die Gedichte. Und mit denen ist man, ob man will oder nicht, im Ernstfall immer alleingelassen.

    IN DEN FLÜSSEN nördlich der Zukunft werf ich das Netz aus, das du zögernd beschwerst mit von Steinen geschriebenen Schatten.