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Europa vor Handelsstreit mit den USA
"Auf unilaterale Strafzölle muss reagiert werden"

US-Präsident Donald Trump droht mit Strafzöllen auf Stahl und Autos aus Europa. Achim Wambach vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sieht Europa für einen möglichen Handelsstreit gut gewappnet. In der Vergangenheit hätten vor allem die Amerikaner unter ihren eigenen Strafzöllen gelitten, sagte er im Dlf.

Achim Wambach im Gespräch mit Silke Hahne   | 05.03.2018
    Neuer Vorsitzender der Monopolkommission, Achim Wambach
    Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (Uwe Anspach/dpa )
    Silke Hahne: Ob US-Präsident Donald Trump Zölle erlassen wird, ist ja noch unklar. Zuzumuten wäre dem 45. Präsident der Vereinigten Staaten durchaus, dass er nur Sprüche klopft. Doch auch die haben das Potenzial, Schaden anzurichten. Allemal, wenn Europa darauf keine einheitliche Antwort findet. In den vergangenen fünf Monaten etwa war mit Deutschland in der EU kein Staat zu machen. Hier geht es mit der Regierungsbildung zwar jetzt voran.
    Doch schon tut sich ein neues politisches Vakuum auf: in Europas drittgrößter Volkswirtschaft Italien. Über diese Gemengelage konnte ich kurz vor der Sendung mit Achim Wambach sprechen, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Und als Erstes habe ich ihn gefragt: Wie gut ist Europa politische gewappnet für einen Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten?
    Achim Wambach: Zunächst guten Tag. – Es tut sich einiges in Europa und der Welt. Die Amerikaner, Trump hat diese Zölle angekündigt, angedroht. Nun muss man zum einen sehen: Das ist nichts Neues. Wir hatten Strafzölle mit den Amerikanern schon öfter gehabt. Auch George Bush hat Strafzölle auf Stahlimporte gelegt. Und es gibt ganz gute Studien, die zeigen: Am stärksten haben die Amerikaner darunter gelitten, weil in der Stahl verarbeitenden Industrie sind viel mehr Leute beschäftigt als in dem Teil der Industrie, die Stahl produzieren. Die brauchen den Stahl viel mehr, als dass sie ihn herstellen.
    Nichtsdestotrotz: Europa hat ja Gegenmaßnahmen damals eingesetzt und auch jetzt schon welche geplant. Ich denke, dass die ganz gut darauf vorbereitet sind.
    "Wir sind auch kein Unschuldslamm"
    Hahne: Das heißt, mit Schärfe zurückzureagieren, ist der richtige Weg?
    Wambach: Ja, auch wie damals sollte man vor die WTO (Welthandelsorganisation) gehen und auch den Rechtsweg beschreiten. Aber unilaterale Strafzölle, darauf muss auch reagiert werden.
    Hahne: Was muss oder kann denn die neue Regierung in Berlin in Sachen Handelsstreit tun? Kann die Bundesregierung in irgendeiner Form zum Beispiel auf Washington oder Brüssel einwirken?
    Wambach: Der Dialog, der funktioniert natürlich über die Regierungen, und Deutschland ist mit den Amerikanern im Gespräch. Allerdings die Außenhandelspolitik, dafür ist Brüssel zuständig. Wenn wir Strafzölle verhängen, dann macht das Brüssel.
    Vielleicht noch eine Anmerkung: Wir sind ja da auch kein Unschuldslamm, was das betrifft. Wir haben eine ganze Reihe von Strafzöllen jetzt bereits verhängt, unter anderem gegen China. Diese Anti-Dumping-Zölle haben wir mehr als 50 Stück von Brüssel aus verhängt. Aber das ist Aufgabe von Brüssel, nicht von Berlin.
    "Italien ist ein wichtiges Land in der EU"
    Hahne: Nun ist die politische Lage in Italien unsicher. Bei den Parlamentswahlen haben europakritische Kräfte stark abgeschnitten. Wer letztlich eine Regierung bilden könnte, das ist ungewiss. Könnte das zum Bremsblock für ein gemeinsames Handeln in der EU werden?
    Wambach: Ja, hilfreich ist das nicht. Italien ist ein wichtiges Land in der EU und gerade jetzt stehen wichtige Entscheidungen an. Macron, der französische Präsident, hat eine Europapolitik, die er forcieren will. Ich hatte bereits die Haushaltspläne erwähnt. Da wäre es schon wichtig, wenn Italien mitreden könnte. Nun ist es da genauso wie bei uns. Solange keine neue Regierung da ist, ist der Ministerpräsident Gentiloni amtierend im Amt. Ein Ansprechpartner ist da, aber es ist natürlich klar: Hier muss geklärt werden, wer stellt die nächste Regierungspartei.
    Hahne: Und welche Politik fährt sie, welche Wirtschaftspolitik.
    Wambach: Genau.
    "Deutschland und Frankreich sind die treibenden Kräfte"
    Hahne: Denn wir wissen ja, dass in Brüssel die Entscheidungen natürlich mitnichten einfach nur bei der Kommission fallen. Der Rat, die einzelnen Staats- und Regierungschefs, die haben großen Einfluss. Mit wem könnte sich denn Berlin in diesem Rahmen zusammentun, wenn nicht mit Rom?
    Wambach: Der Fokus bleibt Frankreich. Der deutsch-französische Motor ist das, was jetzt angeworfen wird und was wir in diesem Sommer auch stark sehen werden. Aber nichtsdestotrotz: Europa ist mehr als nur Deutschland und Frankreich. Die Verhandlungen zum Brexit stehen auch an. Auch das wird die anderen Länder betreffen. Ja, Deutschland und Frankreich sind die treibenden Kräfte, aber sehr wichtig ist, dass die anderen Länder mit eingebunden werden.
    Hahne: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat sich ja in den vergangenen Wochen und Monaten auf der globalen Ebene sehr hervorgetan, die Chance genutzt, dass in Deutschland nur eine geschäftsführende Regierung im Amt war. Meinen Sie, er macht jetzt wieder ein bisschen Platz, rückt bei Seite, um auch Deutschland wieder ein bisschen Raum zu geben?
    Wambach: Zumindest kann Deutschland jetzt wieder mit einer Stimme sprechen, was ja ganz gut ist. Auch viele der anstehenden Reformen sind ja sinnvoll, ob die nun von Frankreich getrieben werden oder von Deutschland getrieben werden. Die Vollendung der Bankenunion, da sind wir noch nicht durch, und der Ausbau des ESM, dem Stabilitätsmechanismus, auch da gibt es noch viel zu tun. Wenn die beiden das gemeinsam machen, umso besser.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.