Löschzentrum von Facebook

Kein Hunger, kein Schlaf, kein Intimleben

Ein Facebook-Logo ist am Fenster eines Hauses zu sehen
Facebook hat nach eigenen Angaben fast 1,9 Milliarden Nutzer weltweit - und ein Problem mit Einträgen, die gegen Menschenwürde und -rechte verstoßen © AFP / Tobias Schwarz
Till Krause im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 14.06.2017
Die Grünen-Politikerin Renate Künast durfte jetzt das Löschzentrum von Facebook in Berlin besuchen. Was ihr dort gesagt wurde, deckt sich nicht mit Recherchen des Magazins der "Süddeutschen Zeitung".
Arvato heißt die Bertelsmann-Tochter, die für Facebook in Berlin problematische Inhalte im Netzwerk sichtet und sie gegebenfalls löscht. Eine Reportage des SZ-Magazins von Till Krause und Hannes Grassegger enthüllte kürzlich die Arbeitsbedingungen.
Till Krause vom SZ-Magazin im Deutschlandfunk Kultur:
"Die sehen dort jeden Tag die schrecklichsten Dinge, die der Mensch zu bieten hat - Kindesmissbrauch, Vergewaltigungen, Enthauptungsvideos."
Die Arbeit hinterlasse massive Spuren in der Psyche, viele der Mitarbeiter zeigten Anzeichen von posttraumatischen Belastungsstörungen - sie "können nicht schlafen, können nicht essen, haben teilweise kein Intimleben, kein Sexualleben mehr".
"Da hatten wir es wirklich teilweise mit gebrochenen Menschen zu tun", berichtet Krause.

Künast durfte sich informieren - nach zwei Jahren

Nun hat sich die Firma geöffnet - und erstmals offiziell eine Politikerin hinter die Kulissen gucken lassen. Renate Künast hat Arvato besucht und konnte auch mit Mitarbeitern sprechen. Sie hatte sich nach eigenen Angaben darum zwei Jahre lang bemüht.
Nach Angaben von Künast wurde ihr mitgeteilt, dass die Mitarbeiter dort keine Vorgaben haben, ein bestimmtes Pensum zu schaffen. Das widerspricht den Aussagen der Mitarbeiter, die ehemals die Arbeitsbedingungen im SZ-Magazin beschrieben hatten.
Till Krause sagte dazu, seine Quellen berichteten, dass es nach wie vor "strenge Vorgaben" und "Druck" von Vorgesetzten gäbe, wenn nicht genügend problematische Inhalte in einem bestimmten Zeitraum gelöscht würden.
Dennoch habe sich auf den öffentlichen Druck hin auch "ein bisschen was" bei Avator getan, so Krause: So gibt es inzwischen nun eine psychologische Betreuung für die Mitarbeiter.
Was aber eigentlich bei so einer belastenden Tätigkeit eine Selbstverständlichkeit sein sollte, betonte der Journalist. Facebook sollte einfach mehr investieren, meint Krause:
"Eine Firma wie Facebook, die Milliarden um Milliarden macht, genau eben mit der Transparenz der Teilungsbereitschaft ihrer Nutzerinnen und Nutzer, die kann sehr wohl Geld in die Hand nehmen, - mit ausreichenden Mitarbeitern und ausreichender Betreuung - diese Inhalte zu sichten. Ich glaube, das ist eine Frage von Geld und von sozusagen Bereitschaft, da rein zu investieren."
(ahe/abu)
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