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Iran
Isolierter Paria oder neuer Partner der USA?

Seit dem Amtsantritt von Präsident Rohani hat sich die Tonlage zwischen den USA und dem Iran geändert. Nun wird der Iran als möglicher Verbündeter des Westens gehandelt - doch noch immer liegen Welten zwischen den politischen Zielen Teherans und Washingtons.

Von Reinhard Baumgarten | 19.07.2014
    Blick auf Irans Präsident Hassan Ruhani bei einer Pressekonferenz.
    "Wir werden uns mit der Welt versöhnen", hat Präsident Rohani bei seinem Amtsantritt versprochen. (EPA)
    Laut einer Studie der US-amerikanischen University of Maryland sprechen sich 61 Prozent der US-Amerikaner für eine Kooperation Washingtons mit Teheran im Kampf gegen die im Irak marodierende Terrormiliz Islamischer Staat aus. Offiziell gibt es keine Zusammenarbeit zwischen den beiden eingeschworenen strategischen Feinden USA und Iran. Offiziell gilt in der Islamischen Republik die Richtung, die Revolutionsführer Ali Khamenei vorgibt:
    "Wo ist das eigentliche Nest für Verschwörungen gegen die Islamische Republik? Seit 35 Jahren, wenn wir vom Feind sprechen, denken alle Iraner an die USA. Die US-Politiker sollten dieser Tatsache ins Auge schauen und begreifen."
    Washington und Teheran schauen mit sehr viel Besorgnis und Unbehagen auf die Entwicklungen im Irak. Das macht sie aber noch keineswegs zu potenziellen Verbündeten. Der Iran verfolgt im Irak Ziele, mit denen die USA nicht einverstanden sein können. Die Obama-Administration will, dass der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki Sunniten und Kurden an der Macht beteiligt, um einem weiteren Zerfall Iraks entgegenzuwirken. Die iranische Führung hingegen fördert seit Jahren ganz gezielt den Aufstieg al-Malikis zum allmächtigen Herrscher. Es war, ist und bleibt auf unabsehbare Zeit das wichtigste außenpolitische Ziel Teherans, den Einfluss Washingtons in der Region zurückzudrängen. Nicht wenige im Iran lasten den USA den Aufstieg der IS-Terrormiliz im Irak an.
    Stecken USA hinter Terror im Irak?
    Die Terroristen handelten im Interesse der Amerikaner, glaubt der 42-jährige Händler Hassan zu wissen: "Das Chaos in den Öl-Ländern nutzt den Amerikanern. Es ist leider so. Sie schaffen Chaos, um zu herrschen."
    Der Ingenieur Mohammed ist davon überzeugt, dass die Saudis und die USA hinter der Terrormiliz stecken, weil Iraks Regierungschef Al-Maliki gute Beziehungen zum Iran pflege. Volkes Stimme, mag man denken. Wie sieht Präsident Hassan Rohani das?
    "Diese terroristische Gruppen und ihre Hintermänner, sowohl in der Region als auch weltweit, sind im Vergleich zu dem großen irakischem Volk und seiner muslimischen Bevölkerung sehr klein und sie werden mit Gottes Hilfe besiegt."
    Oder sie werden mithilfe Irans besiegt. Seit Wochen schon soll sich Qassem Soleimāni im Irak aufhalten. Er ist Chef der al-Quds-Brigaden, einer Sondereinheit der Revolutionswächter.
    Welten zwischen politischen Zielen Teherans und Washingtons
    "Alle Großmächte, deren Söldner, Mörder und Terroristen sollen wissen, dass die große iranische Nation zum Schutz der heiligen Schreine im Irak keine Anstrengung unterlassen wird."
    Sagt Präsident Rohani. Teil dieser Anstrengung ist der Einsatz der al-Quds-Brigaden. Westlichen Informationen zufolge sind deren Kämpfer auch in Syrien im Einsatz. An der Seite Assad-treuer Truppen halten sie das Regime in Damaskus an der Macht. Auch hier liegen Welten zwischen den politischen Zielen Teherans und Washingtons.
    "Wir werden uns mit der Welt versöhnen", hat Präsident Rohani bei seinem Amtsantritt versprochen: "Die Politik unserer Regierung wird konstruktive Zusammenarbeit mit der Welt sein."
    Zusammenarbeit mit den USA? Konservative Hardliner im Iran lehnen das kategorisch ab. Aber auch die US-Partner Israel und Saudi-Arabien sind strikt dagegen. Sie finden, der Iran solle bleiben, was er in ihren Augen ist: ein isolierter Paria, der den Weltfrieden gefährdet. Angesichts der vielen Brandherde im Nahen Osten, der relativen Stabilität Irans und dem wachsenden Einfluss Teherans in der Region setzt in den USA ganz langsam ein Umdenken ein. Ob der Iran aber eine im westlichen Sinne konstruktive Rolle wird spielen können und wollen, ist gegenwärtig alles andere als entschieden. Wünschenswert wäre es allemal. Doch es steht zu befürchten, dass Hardliner den sukzessiven Rückzug der USA aus der Region dazu nutzen wollen, den eigenen Einfluss in den Nachbarländern auszubauen.