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Aus Windenergie wird Wasserstoff

Energie. - Mit Windkraft lässt sich bislang nur Energie gewinnen, wenn die Wetterverhältnisse dies zulassen. Dies ändert sich nun: Im brandenburgischen Prenzlau wird eine Speichertechnik für Windenenergie erforscht, die Windenergie in Wasserstoff umwandelt.

Von Thomas Gith | 23.07.2012
    Der Standort für das Hybridkraftwerk ist ideal: Er liegt inmitten von Feldern und umgeben von Windrädern auf einem sanften Hügel, von dem der Blick hinab fällt auf die brandenburgische Kleinstadt Prenzlau. Zwei Gärsilos für Mais stehen hier neben einer fensterlosen Betonhalle. Ingenieur Jörg Müller schließt die Eingangstür auf.

    In der Halle befindet sich das Herzstück des Hybridkraftwerkes: Der Elektrolyseur. Es ist ein lastwagengroßer Wassertank, in dem es mehrere elektrische Zellen gibt.

    "Also unser 500 KW Elektrolyseur vor dem wir hier stehen, besteht aus 140 einzelnen Zellen, jeweils mit Anoden und Kathoden versehen, an jeder dieser einzelnen Zellen haben wir zwei Volt Spannungsabfall und an jeder der beiden entsteht entweder Wasserstoff oder Sauerstoff, der dann nach oben als kleine Gasbläschen aufperlt und im oberen Bereich aufgefangen wird."

    Für die Elektrolyse liefern drei der nahegelegen Windkraftanlagen den Strom. Er trennt das Wasser in Sauerstoff, der bisher nicht verwendet wird und in Wasserstoff, der als Speichermedium dient. Das Prenzlauer Hybridkraftwerk ist laut Betreibern dabei weltweit einmalig: Denn erst mals wird hier aus Windenergie Wasserstoff erzeugt. Ein unkomplizierter Prozess – auch, weil das eingesetzte Wasser nur wenige Bedingungen erfüllen muss, sagt Werner Diwald von der Betreiberfirma Enertrag.

    "Das Wasser holen wir ganz normal aus der Wasserleitung. Dann wird es demineralisiert, also wir müssen ein sauberes Wasser haben und das war es mit der Aufbereitung. Also da ist keine große chemische Aufbereitung oder so. Sondern es wird im Endeffekt einfach destilliertes Wasser genommen."

    Der Wirkungsgrad bei der Wasserstofferzeugung liegt im Prenzlauer Hybridkraftwerk bei etwa 80 Prozent - der Energieverlust ist demnach gering. Die Entwickler können nach acht Monaten Betrieb ein erstes positives Fazit ziehen. Und auch der Wasserstoff erweist sich als ideal, um Speicherzeiten zu ermöglichen, in denen kein Wind weht – dabei mussten die Ingenieure das in der Planungsphase zunächst genau prüfen.

    "Wir haben lange gesucht nach dem richtigen Speicher und haben erst mal analysiert, was wir für einen Speicher überhaupt bräuchten. Und das kam raus, dass wir also Speicher suchen, die ungefähr eine Speicherkapazität von zwei, drei Wochen überbrücken können. Und dort haben wir dann die Druckluft, die Pumpspeicherwerke untersucht, Batterien untersucht und sind immer wieder zurück zum Wasserstoff gekommen, weil er einfach die höchste Energiedichte hat, weil man ihn sehr einfach in großen Mengen produzieren kann, in großen Mengen sehr schnell einspeichern kann. Und das alles zusammen hat uns davon überzeugt, das Wasserstoff in der Hauptsache der richtige Speicher sein wird."

    Die Prognose hat sich mittlerweile bestätigt, sagen die Betreiber: Der Wasserstoff lässt sich ohne zu diffundieren in mehreren großen Tanks speichern, die neben der Betonhalle stehen. Von hier aus beginnt die weitere Verarbeitung: Ein Großteil des erzeugten Wasserstoffes ist dabei für Autos mit Brennstoffzellen vorgesehen – eine ersten Tankstelle in Berlin wird bereits beliefert.

    "Hier zu uns kommt, wie zu einer Raffinerie sozusagen, ein Tankwagen. Den befüllen wir dann mit unserem Wasserstoff. Dann fährt dieser Tankwagen, wie auch im klassischen Treibstoffbereich dann zu einer Tankstelle. Und dort wird der Wasserstoff dann gasförmig quasi wieder umgetankt, in ein Tanksystem vor Ort. Und dann bleibt er dann gasförmig eingespeichert, bis er dann in die Autos vertankt wird."

    Im Brennstoffzellenfahrzeug erzielt der Wasserstoff einen Wirkungsgrad von rund 50 Prozent – lässt sich also mit akzeptablem Energieverlust nutzen. Geplant ist außerdem, künftig ins lokale Gasnetz der Stadt Prenzlau einzuspeisen. Zehn Prozent Wasserstoff dürfen dem Erdgas dann beigemischt werden. Und: Auch Strom lässt sich aus dem Wasserstoff erzeugen. Dazu wird er mit Biogas vermischt, dass im Prenzlauer Hybridkraftwerk aus Mais entsteht.

    "Der Mais, der hier verwendet wird, wird direkt in der Umgebung angebaut. Wir bauen gerade ein Silo noch zusätzlich, was wir das Jahr noch in Betrieb nehmen, genau neben der Anlage. Von dort wird der Mais in die beiden Gärbehälter transportiert jeden Tag und vergärt letzen Endes zu Biogas, also zu Methan."

    Das Methan verbrennt zusammen mit dem Wasserstoff schließlich in einem herkömmlichen Ottomotor – und erzeugt so Strom. Auf diesem Weg geht ein Großteil der ursprünglich eingespeisten Windenergie allerdings verloren. Die Rückverstromung ist daher auch nur bei Engpässen sinnvoll: Wenn etwa auf Grund einer Windflaute kurzfristig zusätzlicher Strom benötigt wird. Erfolge kann das Hybridkraftwerk also bereits vorweisen: Windenergie lässt sich als Wasserstoff speichern – und steht demnach auch bei Flaute als Brennstoff für Autos, Strom oder Erdgasbeimischung zur Verfügung.