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Genetik. - Stammzellen sind phantastisch vielseitig, allerdings bislang schwer oder nur mit ethischen Problemen erreichbar. Münsteraner Forscher konnten jetzt einen wichtigen Fortschritt bei der ethisch einwandfreien Reprogrammierung adulter Stammzellen erzielen.

Von Michael Lange | 06.02.2009
    Genetisch ist eine embryonale Stammzelle nichts Besonderes. Sie besitzt die gleichen Gene wie alle Körperzellen. In jeder Zelle schlummert also das Potential, sich in eine embryonale Stammzelle zu verwandeln. Allerdings haben gewöhnliche Zellen mit zunehmender Reifung immer mehr Gene abgeschaltet. Sie wieder wachzukitzeln, ist eines der wichtigsten Ziele moderner Stammzellenforschung. Die Wissenschaftler wollen die Lebensuhr in diesen Zellen wieder auf "Start" zurückdrehen. Sie wollen reprogrammieren. Holm Zaehres ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Molekulare Medizin in Münster. Sein Fachgebiet ist die Reprogrammierung:

    "Grundsätzlich geht es darum die Genschalter in den ausgereiften Zellen so umzulegen und umzuschalten, dass wieder das Profil einer embryonalen Stammzelle aktiviert wird."

    2006 gelang es dem Japaner Shinya Yamanaka erstmals Mäusezellen zu reprogrammieren. Er entdeckte, dass vier genetische Faktoren notwendig waren, um aus Körperzellen Zellen zu schaffen, die embryonalen Stammzellen ähnlich sind: IPS-Zellen, induzierte pluripotente Stammzellen. Zwei dieser vier Faktoren waren als Krebsgene bekannt. Forscher vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster brauchten 2008 nur noch zwei Faktoren für die Reprogrammierung. Jetzt glückte ihnen ein weiterer Schritt. Sie konnten zeigen, dass nur ein Gen notwendig ist. Sein Name: "Oct 4". Für Holm Zaehres ein alter Bekannter.

    "Oct 4 - das kennen wir schon sehr lange, dieses Gen. Ende der 80er Jahre wurde es von Hans Schöler aus dieser Abteilung entdeckt. Es ist das Gen, das immer in den embryonalen Stammzellen und in Keimzellen angeschaltet ist. In dem Sinne verursacht dieses Gen, dass diese Zellen diese unbegrenzte Teilungskapazität haben und auch die Kapazität, sich in alle möglichen anderen Zellen verwandeln zu können. Also diese Fähigkeit ein Alleskönner zu sein wird letztendlich auf dieses Gen zurückgeführt."

    Die Stammzellenforscher aus Münster benutzten Nervenstammzellen aus dem Gehirn von Mäusen. Diese Zellen teilen sich gleichmäßig, und sie sind in der Lage, drei der ursprünglich notwendigen vier Faktoren selbst zu bilden. Zaehres:

    "Wir benutzen dazu so genannte Gentaxis. Das sind Viren, denen das eigene Erbgut entfernt worden ist und durch dieses Oct 4 Gen ersetzt wurde. Und mit diesen Gentaxis wurden die neuronalen Stammzellen infiziert. Und dann parkt das Virus dieses Gen als eine Art Schalter in die neuronalen Stammzellen ein und aktiviert dort das endogene Programm."

    Das bedeutet, die Zellen verjüngen sich. Dazu nutzen sie ihre eigenen schlummernden Erbanlagen. Das eingeschleuste Oct 4 Gen sorgt dafür, dass in den Körperzellen embryonale Gene aktiv werden. Die Zellen aus dem Gehirn produzieren ähnliche Moleküle wie ein Embryo. Sie werden embryonal. Die Wissenschaftler brauchten allerdings viel Geduld. Erst nach vier Wochen waren die Nervenstammzellen aus dem Gehirn kaum noch von embryonalen Stammzellen zu unterscheiden. Sie waren zu IPS-Zellen geworden. In Zukunft möchten die Forscher solche Zellen ganz ohne Gentechnik herstellen. Denn die Verpflanzung genmanipulierter Zellen birgt stets ein Krebsrisiko. Deshalb planen sie bereits vorhandenen Oct 4 Gene in den Körperzellen gezielt zu aktivieren. Auch dieses Gen befindet sich in jeder Zelle der Maus und des Menschen. Holm Zaehres hält das prinzipiell für möglich.

    "Von der Grundidee: wenn Oct 4 das entscheidende Gen ist, dann müsste es auch vorstellbar sein, das endogene Oct 4-Gen, das schon in jeder Zelle drin ist, durch entsprechende kleine Moleküle zu aktivieren, und dann bräuchte man es nicht mehr von außerhalb zuzuführen. Wir haben durch unsere Arbeit gezeigt, dass Oct 4 das entscheidende Gen für die Regrogrammierung ist, und können jetzt gezielt daran arbeiten, das endogene Oct 4 anzuschalten."

    Alle Versprechungen und Hoffnungen, die man mit embryonalen Stammzellen verbindet, ließen sich somit auf die reprogrammierten Zellen übertragen. Bis zur Verpflanzung von IPS-Zellen in Patienten ist allerdings noch eine Menge Laborarbeit notwendig und auch Tierversuche stehen noch bevor.