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Preiswürdiges Engagement

Wenn schon fürs Studium kaum Zeit bleibt, wie soll man sich da auch noch ehrenamtlich engagieren? Dass beides zusammengeht, zeigen die Preisträger des Wettbewerbs "Studierende für Studierende", mit dem das Studentenwerk alle zwei Jahre vorbildliche Projekte auszeichnet. Gestern Abend war Preisverleihung in Berlin.

Von Claudia van Laak | 07.11.2012
    Sie nennen sich aktive Idealisten, erarbeiten einen Hochschulführer für Studierende mit Behinderungen oder fahren dreimal im Jahr nach Albanien, um an der Universität Tirana Medizinstudenten zu unterstützen.

    "Was ich daran toll finde: Das ist ein Projekt, das nur von Studenten gegründet wurde und auch nur von Studenten zehn Jahre lang weitergeführt wurde, ohne irgendeine Institution oder Rechtsform oder groß Bürokratisches","

    sagt Sophia von Blomberg von Future Doctors Network, einer Initiative von Studierenden der Universität Witten-Herdecke. Das Medizinstudium in Tirana sei zwar theoretisch gut, aber überhaupt nicht praxisorientiert, erzählt Olga Bismarck. "Deshalb zeigen wir ihnen, wie man Patienten untersucht.""Selbstverständlich könnte ich mich den ganzen Tag in die Bibliothek setzen oder zuhause hinsetzen und lernen, aber ich wäre dann nicht so zufrieden, das gibt einem ja auch ganz viel.""

    Olga Bismarck und Sophia von Blomberg fahren regelmäßig nach Albanien, Edlira Kruja ist von dort nach Deutschland gekommen, promoviert an der Bergakademie Freiberg. Den Preis des Studentenwerks hat sie - gemeinsam mit anderen - für die Initiative "Sprachtutoren" bekommen. Seit zwei Jahren betreuen ehrenamtliche Vorruheständler und Rentner aus dem sächsischen Freiberg die Arbeiten von ausländischen Studierenden.

    "Man braucht immer Hilfe. Gerade wenn man weit entfernt von zuhause ist und nicht so viele Leute kennt. Und dann ist es schön, man trifft neue Leute, lernt viel über andere Kulturen."

    So entsteht ein Netzwerk von Einheimischen und Studierenden aus der ganzen Welt, ein kleiner Schritt zum Abbau von Ausländerfeindlichkeit. Dieses Ziel verfolgt auch der studentische Verein ISWI der Technischen Universität im thüringischen Ilmenau. Andreas Weidner und andere organisieren einmal im Jahr eine internationale Studentenwoche mit 300 bis 400 Teilnehmern aus bis zu 70 Ländern. Ehrenamtliches Engagement lohnt sich, meint Andreas Weidner:

    "Weil man einen viel, viel breiteren Blick kriegt und das Ganze auch entschleunigt. Es hat eine extreme Beschleunigung im Bildungssystem gegeben, wo die Leute gar nicht mehr dazukommen, das Ganze zu reflektieren."

    Andreas Weidner erzählt vom Bologna-Schock an der TU Ilmenau. Nachdem Bachelor und Master eingeführt wurden, wollten sich kaum noch Studierende ehrenamtlich engagieren, die studentischen Kulturvereine verwaisten.

    "Da war auf der einen Seite viel Psychologie dahinter, es war viel Verunsicherung da, das hat sich in der Zwischenzeit ein bisschen gegeben, aber das langfristige Engagement, sich länger zu binden, ist schwierig geworden, das macht einer Vereinslandschaft, wie wir sie in Ilmenau haben, doch ganz schön stark zu schaffen."

    Denn: Wer nur einen Bachelor-Studiengang belegt und die TU Ilmenau nach drei Jahren wieder verlässt, engagiert sich vermutlich nicht in langfristigen Projekten wie der internationalen Studentenwoche.