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Moscheebau in Frankreich: Zwischen Laizismus und Islam

Im April soll im laizistischen Frankreich über den Platz des Islam debattiert werden. Ein Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat verbietet es, Religionen zu subventionieren - beispielsweise beim Moschee-Bau. Manch ein Bürgermeister ignoriert das schlicht.

Von Bettina Kaps | 21.03.2011
    Freitagsgebet in der Moschee von Epinay-sur-Seine. Ein breites Säulendach markiert den Eingang zum Gebetssaal. Der Saal ist in einer renovierten Lagerhalle untergebracht, dort können jetzt 1400 Menschen beten. Außerdem wurden Räume für kulturelle Aktivitäten angebaut. Gelände und Bauarbeiten haben 2, 8 Millionen Euro gekostet. Bezahlt hat die Stadt, sagt der Bürgermeister Hervé Chevreau.

    "Ja, die Stadt hat Geld ausgegeben für den Bau eines religiösen Ortes. Weil es nicht angeht, dass Menschen in unserem Land ihre Religion unter unzumutbaren Bedingungen ausüben müssen."
    Damit hat Epinay-sur-Seine gegen das französische Gesetz von 1905 verstoßen, das die Trennung von Kirche und Staat vorschreibt. In Wirklichkeit ist die Trennung allerdings nicht so radikal, wie es scheint, zum Beispiel dürfen Städte und Gemeinden den Unterhalt ihrer Kirchen bezahlen. Außerdem wird es seit jeher umgangen, wenn es gerade politisch opportun ist. So hat Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg im Herzen von Paris eine große Moschee gebaut, zum Dank für die militärische Unterstützung der Muslime auf dem Schlachtfeld.

    Nicht nur Epinay sur Seine, auch andere Städte legen das Gesetz freizügig aus und unterstützen Christen, Muslime oder Juden. Bürgermeister Chevreau fordert daher eine Gesetzesänderung.

    "Das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat sollte revidiert werden, damit die Kommunen Gebetsräume direkt finanzieren können. Bisher tun sie es häufig über einen Erbpachtvertrag, sie stellen ein Terrain oder ein Gebäude für einen symbolischen Euro zur Verfügung. Die Städte finden jedenfalls immer eine Lösung, um den gläubigen Bürgern zu einem angemessenen Gebetsraum zu verhelfen."

    Doch wer bezahlt, der will auch Einfluss haben. Und das führt oft zu Konflikten. In Epinay-sur-Seine streiten sich jetzt zwei muslimische Vereinigungen um die Leitung der neuen Moschee. Aber auch der Bürgermeister will mitbestimmen, wer dort predigt.

    "Wir haben ein Problem. Zuerst hatten wir uns auf den Vorsitzenden einer muslimischen Vereinigung gestützt. Aber jetzt ist ein Machtkampf ausgebrochen, es geht darum diesen oder jeden Islam zu vertreten, diesen oder jenen Imam durchzusetzen."

    Das Rathaus hat nun die Verantwortlichen der großen Moschee von Paris beauftragt, die Leitung der Moschee in der Vorstadt zu übernehmen und einen Imam zu entsenden. Damit sind viele Muslime der Stadt allerdings gar nicht einverstanden, sagt Youssef El Ouachouni. Der junge Mann ist in der muslimischen Gemeinde aktiv.

    "Wir sind hier in Epinay und nicht in Paris. Außerdem ist die große Moschee von Paris mit dem algerischen Staat verbunden. Wir wollen keine Einmischung aus Algerien, Marokko oder Tunesien. Wir sind französische Muslime, wir sind hier geboren oder aufgewachsen. Wir wollen diese Einflussnahme nicht."

    Auch in Paris will der Bürgermeister den Muslimen zu korrekten Gebetsräumen verhelfen. Dort gibt es bislang nur die Große Moschee im vornehmen fünften Arrondissement. In den Randbezirken aber, wo besonders viele Muslime leben, müssen die Menschen in Wohnungen oder Ladenlokalen beten, die oft zu klein sind. So kommt es, dass jeden Freitag mehrere Hundert Muslime ihre Gebetsteppiche in einer Straße im 18. Arrondissement ausrollen müssen – was Marine Le Pen, Parteichefin der rechtsextremen Front National, neulich als gezielte Provokation und als eine Art von Besatzung bezeichnete, womit sie sofort in den Schlagzeilen landete.

    Genau dort, im Viertel La Goutte d´Or, will die Stadt nun ein "Institut der Islamischen Kulturen" bauen. Geplant sind auch zwei Gebetsräume. Sie sollen allerdings komplett von einer eigens dafür gegründeten muslimischen Vereinigung bezahlt werden. Damit die Muslime ihren Teil überhaupt bezahlen können, hat sich das Rathaus etwas Neuartiges ausgedacht, sagt die Leiterin des neuen Kulturinstituts, Véronique Rieffel.

    "Freitags und an großen Feiertagen kann die religiöse Vereinigung zusätzliche Räume des Kulturinstituts mieten, um ihren Gebetsraum zu vergrößern. Das ist für sie dann viel billiger, als eine große Moschee zu finanzieren, die nicht jeden Tag gebraucht wird."

    Auf diese Weise verhilft die Stadt Paris den Muslimen zu zwei Moscheen. Zugleich respektiert sie das Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat. Der Steuerzahler kommt nur für das Kulturinstitut auf.