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Michael Kemmer: Banken-Stresstest sollte nicht im Detail öffentlich werden

Die Europäische Bankenaufsicht EBA will heute die Ergebnisse des jüngsten sogenannten Stresstests für 91 Kreditinstitute veröffentlichen. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, fürchtet, dass die Ergebnisse in der öffentlichen Debatte zu stark vereinfacht interpretiert werden könnten.

Michael Kemmer im Gespräch mit Christoph Heinemann | 15.07.2011
    Christoph Heinemann: Vielleicht wird ja der eine oder andere Bankkunde mit Schadenfreude auf den Stress blicken, den der Stresstest bei manchen Banken auslöst. Schließlich können ja auch Banken ihre Kunden ganz schön in den Schwitzkasten nehmen. Eine Bank hat sogar das Handtuch geworfen: die Hessisch-Thüringische Landesbank, die Helaba hat der europäischen Bankenaufsicht EBA verboten, ihre Zahlen zu veröffentlichen, wenn diese, die EBA, eine stille Einlage des Landes Hessen von rund zwei Milliarden Euro nicht mit einbeziehen. Der Grund: mit der Einlage kommt die Helaba durch, ohne wohl nicht.

    Am Telefon ist Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Guten Morgen!

    Michael Kemmer: Schönen guten Morgen!

    Heinemann: Herr Kemmer, bange Frage in diesen Tagen: Wird der Stresstest die Märkte beruhigen?

    Kemmer: Im Prinzip ja. Der Stresstest wird auf jeden Fall relevante Aussagen liefern über die Widerstandsfähigkeit der Gesamtmärkte, also über die Robustheit der Kreditinstitute insgesamt, und so wie es sich im Moment abzeichnet, wird das überwiegend positiv ausgehen. Natürlich gibt es ein paar Banken – Sie hatten es schon erwähnt, oder Ihr Korrespondent hatte es erwähnt -, die Schwierigkeiten haben werden mit dem Stresstest, aber das kommt nicht unerwartet. Insgesamt gehe ich schon davon aus, dass es für den Gesamtmarkt ein stabilisierendes Element sein wird. Man muss allerdings mit den Ergebnissen, insbesondere wenn es um die Einzelergebnisse pro Institut geht, schon sehr vorsichtig umgehen.

    Heinemann: Inwiefern?

    Kemmer: Na ja, der Stresstest wird ja häufig so ein bisschen schwarz-weiß gesehen, bestanden oder durchgefallen. Wenn bestanden, ist die Bank prima; wenn durchgefallen, steht die Bank kurz vor der Insolvenz. Das ist so ein bisschen die öffentliche Meinung und das ist natürlich nicht richtig, denn der Stresstest macht ja ein ganz allgemeines Szenario, das für alle Banken in Europa gilt, das aber natürlich nicht jeder einzelnen Bank gerecht wird, denn es hängt ja auch davon ab, welches Geschäftsmodell die einzelne Bank hat, wie die Portfolien ausschauen, und natürlich kann der Stresstest Hinweise geben, ob hier Anpassungen vorzunehmen sind, ob vielleicht sogar mehr Kapital gefordert ist.

    Aber man darf das nicht verallgemeinern und das Ganze ist auch eine sehr, sehr komplexe Geschichte und es wäre sehr sinnvoll, wenn die Bankenaufsicht im einzelnen mit jeder Bank über das Ergebnis des Stresstests sprechen würde und die ganzen Dinge nicht auf dem offenen Markt ausgetragen werden. So gesehen sind wir auch etwas besorgt darüber, dass die EBA die Ergebnisse sehr detailliert öffentlich machen will. Wir befürchten, dass angesichts der Komplexität der ganzen Situation ein angemessener Umgang mit diesen Informationen nicht unbedingt gewährleistet sein wird.

    Heinemann: Also sollte lieber alles auf den Markt?

    Kemmer: Nein! Wir sind der Meinung, dass man die Aussagen über den generellen Bankenmarkt, allgemeine Aussagen, sehr gut tätigen kann, dass das auch zu einer Beruhigung der Märkte beitragen wird. Wir sind aber der Meinung, dass individuelle Aussagen über einzelne Institute, über Details und deren Portfolien, so wie sie im momentan von der EBA abgefordert werden, zu weit gehen, weil man damit letztlich auch den Markt überfordern würde und weil man möglicherweise sogar die Spekulationen anheizen könnte, denn es ist ja durchaus möglich, dass sich jemand sehr genau anschaut, wo eine Bank ihre Schwachpunkte hat, und möglicherweise auch dagegen spekuliert. Das ist etwas, das halten wir nicht für sehr glücklich.

    Heinemann: Herr Kemmer, wieso hat die Helaba das Recht, dass ihre Zahlen nicht veröffentlicht werden?

    Kemmer: Ja, das Recht hat jeder. Im Grunde genommen kann jede Bank sagen, wir geben Zahlen zur Veröffentlichung frei, oder wir verbieten das. Da gibt es auch eine Rechtsgrundlage im Kreditwesen-Gesetz. Ob das sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Der Fall Helaba ist natürlich ein ganz spezieller und ich habe für die Kollegen in der Hessischen Landesbank schon ein gewisses Verständnis, denn die EBA hat da nach meinem Dafürhalten nicht sehr geschickt agiert, indem sie letztlich Kapitalanforderungen vorzieht, die noch gar nicht rechtlich gültig sind. Das hat Ihr Kollege völlig zurecht deutlich gemacht …

    Heinemann: Das ist ein schlauer Junge!

    Kemmer: Absolut! - … und indem sie auch letztlich gar nicht akzeptiert, dass die Hessische Landesbank ihre stillen Einlagen ja Basel-III-fest gemacht hat. Da sind ja die entsprechenden Entscheidungen der Gremien schon getroffen worden und nach meinen Informationen hängt es nur noch an Formalien, nämlich an dem Inkrafttreten der Entscheidungen, so dass materiell-ökonomisch, soweit ich den Sachverhalt beurteilen kann, die Kernkapitalqualität eigentlich nicht in Frage steht und die EBA hier, ich sage es mal etwas umgangssprachlich, vielleicht ein bisschen stur agiert hat an der Stelle, was man nicht so ganz verstehen kann.

    Heinemann: Herr Kemmer, Sie sprachen von den Märkten. Wir wollen vielleicht eine kleine Klammer öffnen in dem Zusammenhang. Was passierte, wenn in Washington Präsident und Opposition jetzt in der Schuldenkrise nicht zu Potte kommen, beziehungsweise die USA eines der drei A-Sternchen verlieren würden?

    Kemmer: Also, das wäre natürlich ein ganz massives Problem, die erste Hälfte Ihrer Frage, wenn die nicht zu Potte kommen würden, sondern die USA in die Zahlungsunfähigkeit laufen würden. Dann würden die auch nicht nur eines von den drei Sternchen verlieren, sondern dann würden die in den Ratings deutlich nach unten rauschen. Und da sage ich ganz flapsig: das darf einfach nicht passieren, denn das würde ganz erhebliche Erschütterungen auf den internationalen Finanzmärkten auslösen. Ich rechne aber nicht damit.

    Ich rechne damit, dass das ein politisches Spiel ist, das von beiden Seiten ausgereizt wird bis zum Ende, aber dass es auf jeden Fall noch einen Kompromiss geben muss. Wenn Amerika von Tripple A – das ist ja das, was Sie angesprochen haben – heruntergeratet werden sollte, würde das sicherlich auch jetzt nicht gerade ein stabilisierendes Element für die Finanzmärkte sein, aber ein kleines Downgrate ist etwas, was sicherlich die USA nicht umwerfen würde und auch die internationalen Finanzmärkte nicht völlig erschüttern würde, denn dass Amerika ein Schuldenproblem hat, auch durchaus im Vergleich zu den Verhältnissen in der Europäischen Union, das ist völlig unbestritten.

    Heinemann: Wobei jetzt auch schon die zweite Agentur, nämlich Standard & Poor’s, gedroht hat, Amerika herunterzustufen. – Das Vertrauen in Staatsanleihen, das dürfte aber vorerst mal dahin sein, oder?

    Kemmer: Das Vertrauen in Staatsanleihen ist mit Sicherheit nicht mehr so groß, wie es einmal gewesen ist. Die Frage ist natürlich, ob das Vertrauen, das man in die Staatsanleihen hatte, auch immer in dieser Form gerechtfertigt war. Ich glaube, es ist richtig, es ist vernünftig, dass sich die Investoren sehr genau anschauen, wie ist die jeweilige Situation des Landes, wie ist die Schuldentragfähigkeit, wie ist die Verschuldung insgesamt, und dass dann von den Investoren auch Druck zur Haushaltskonsolidierung ausgeübt wird.

    Das ist ja eines der Probleme, das wir hier in Europa haben beziehungsweise hatten, nämlich dass die Risikoaufschläge für die unterschiedlichen Euro-Staaten fast identisch waren. Griechenland, Portugal, Irland mussten ja zu bestimmten Zeiten nur ganz wesentlich, ganz unwesentlich höhere Zinsen bezahlen als zum Beispiel die deutschen Institutionen für ihre Staatsanleihen, während aber die Wirtschaftskraft der Länder natürlich eine völlig unterschiedliche war. Das heißt, das ist schon auch ein gewisser heilsamer Effekt, der jetzt hier eintritt.

    Heinemann: Herr Kemmer, halten die deutschen Banken überhaupt noch griechische Staatsanleihen in nennenswertem Umfang, oder sind die Verluste wieder den Bürgern in die Schuhe geschoben worden?

    Kemmer: Nein, nein. Da schiebt niemand den Bürgern irgendetwas in die Schuhe. Die deutschen Banken halten noch griechische Staatsanleihen, sie haben sich auch an die Verabredung gehalten, die vor gut einem Jahr getroffen worden ist, nämlich die Staatsanleihen nicht zu verkaufen. Es sind allerdings keine riesigen Größenordnungen, es waren auch damals keine riesigen Größenordnungen, das bewegt sich wohl so um die 18 Milliarden, wobei acht Milliarden davon allein auf die KfW entfallen im Rahmen des ersten Rettungspakets für Griechenland.

    Das heißt, es sind dann wohl zehn Milliarden, die hier ansonsten noch da sind. Das ist natürlich schon ein großer Betrag, aber im Vergleich zum Schuldenstand Griechenlands insgesamt ist es ein überschaubarer Betrag und die deutschen Banken haben ja auch sehr klar gesagt, wie auch die anderen Investoren, dass sie bereit sind, ihren Beitrag zur Rettung Griechenlands zu leisten, wenn es ein vernünftiges Gesamtkonzept gibt, und an dem wird ja noch gearbeitet.

    Heinemann: Der italienische Finanzminister Giulio Tremonti hat in diesen Tagen Titus Livius zitiert: "Hic manebimus optime" - Hier werden wir bestens bleiben, oder man kann es auch frei übersetzen: An diesem Ort geht es uns gut; ein Zitat eines römischen Centurios aus der Gründungszeit Roms, als die Plebejer einen anderen Ort für die Hauptstadt des späteren Weltreichs erwägten. Herr Kemmer, gilt das auch für Euro-Land, wir machen weiter, und zwar omnibus, mit allen?

    Kemmer: Ja. Ich gehe davon aus, dass wir weitermachen werden mit allen. Ich glaube, die Euro-Zone ist ein ganz, ganz wichtiges Element. Und es ist ganz, ganz wichtig, dass die Euro-Zone beieinander bleibt, und da ist auch eine gewisse Solidarität erforderlich. Die brauchen wir, die dürfen wir nicht hingeben. Und ich glaube, das, was momentan die Staats- und Regierungschefs versuchen, nämlich eine Lösung zu finden, die dem Problem gerecht wird, das ist in Ordnung. Und die Maßnahmen, die sie jetzt momentan ergreifen, oder die sie momentan diskutieren, könnten durchaus zielführend sein, aber sie müssen noch geschärft werden, sie sind im Moment noch viel zu wenig konkret und die Konkretisierung an der Stelle steht noch aus.

    Ich gehe mal davon aus, dass sie das vernünftig durchziehen. Wie gesagt, das wird momentan sehr intensiv diskutiert, aber es ist sehr, sehr wichtig, dass die Euro-Zone beieinander bleibt, denn nur dann haben wir einen stabilen Euro, nur dann haben wir auch ein glaubwürdiges Europa. Das ist ja durchaus auch ein politisches Thema, und ich setze fest darauf, dass das so bleibt.

    Heinemann: Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Kemmer: Gerne! Auf Wiederhören.


    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.


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