Fotografin Marie Staggat

Detroit-Techno im Großformat

Zu sehen sind drei Fotos von DJs der Detroiter Technoszene
Juan Atkins, Nick und Kenny Larkin: Drei DJs der Detroiter Technoszene © Marie Staggat
Von Martin Risel · 29.06.2015
Marie Staggat ist Türsteherin des legendären Tresor-Clubs in Berlin und Fotografin. Sie reist regelmäßig nach Detroit, zu den Wurzeln des Technos. Die Bilder, die sie von dort mitbringt, sind atemberaubend.
Juan Atkins, Godfather of Detroit Techno, Mitbegründer eines Genres, das sich in den frühen 90ern von Detroit nach Berlin und rund um die Welt entwickelt hat. Juan Atkins – nur sein Ohr im Großformat ist zu sehen auf einem der Fotos von Marie Staggat. Nur in Schwarzschattierungen, mit Haaren, mit Hautporen groß wie Konfetti.
Auf einem anderen Foto ein von seinen DJ-Händen verdecktes Gesicht eines Kollegen aus Detroit, mit Narben, mit Falten wie Ackerfurchen. Zeichen gelebten Lebens, die andere gerne verstecken, retuschieren. "Hands and ears" heißt das Basiskonzept zum Detroit-Projekt der jungen Berliner Fotografin, das die wichtigsten Instrumente der DJs und Produzenten in den Fokus stellt.
Marie Staggat: "Ich hab auch oft das Glück gehabt, so einen Teil der Seele einzufangen - was oft meiner Fotografie nachgesagt wird. Dass man das Gefühl hat, man ist dem Künstler ganz nahe. Vielleicht ist das für einige beängstigend, für andere schön. – Also ich liebe es, jede Pore zu sehen. Ich liebe es, das Haar aus dem Ohr zu sehen, ich mag diese nahen Geschichten."
Nah, sehr nah geht sie ran. Das setzt Nähe zum Objekt voraus, Vertrautheit zu den Künstlern, die sie fotografiert, sonst für Tagesspiegel und Süddeutsche Zeitung, De: Bug und andere.
Türsteher und Fotograf – ähnliche Jobs
2006 kommt Marie Staggat aus Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin. Ausbildung im Foto-Studio. Um ein bisschen dazu zu verdienen, bewirbt sich die 20-Jährige beim Tresor als Selektorin. Einfach so und ohne Erfahrung an irgendeiner Clubtür. Wird genommen. Und ist auch nach acht Jahren Tresor-Tür noch nicht so berühmt wie der Kollege vom Berghain. Aber Fotograf ist Sven Marquardt auch. Gibt es einen Zusammenhang?
"Es ist schon so, dass du den Menschen durch die Kamera mit deinen Augen siehst, beurteilst, festhältst. Und dass Du das andersherum mit dem Job an der Tür, der ja sehr viel auf Deiner Menschenkenntnis aufbaut. Du siehst ja ganz viel – alles über die Augen."
Zu sehen ist der Techno-DJ Norm Talley auf den Straßen von Detroit
DJ Norm Talley auf den Straßen von Detroit© Marie Staggat
Diesen Robert Hood hat sie – wie auch andere Musiker – schon mehrfach fotografiert unter den insgesamt 150 Techno-Künstlern. Vor fünf Jahren reist Marie Staggat dazu erstmals drei Wochen nach Detroit, seitdem ist sie alle paar Monate in der heruntergekommenen Ex-Motor City, der Stadt, die sie so liebt. Und so zeigt:
"Aber auch Bilder der Stadt, portraitiert, wie ich sie sehe: Nicht als tote Stadt mit diesem ruin porn, wo viele ja ihr Augenmerk drauf richten, wenn sie dort sind: Oh cool, n abgebranntes Haus, oh noch eins, oh, hier war auch mal was schön - sondern einfach aus meiner Sicht die Schönheit eingefangen."
Liebesbekenntnis an die Stadt Detroit
Die Stadtbilder sind nur ein kleiner Teil von Buch und Ausstellung, es dominieren Portraits - und vor allem die eindringlichen Close-Ups aus der Hands-and-ears-Serie. Alles in Schwarz-Weiß und unter dem Titel "313onelove – The Detroit Project". Die Telefonvorwahl-Nummer, kombiniert mit dem Liebesbekenntnis der Fotografin, das sie im großformatigen Coffee-table-Buch dann auch mit kurzen Geschichten unterfüttern will, selbst aus Interviews gefiltert oder von Künstlern geschrieben.
Und auch wenn Marie Staggat mit 28 viel zu jung ist, um die Techno-Geschichte aus Detroit miterlebt zu haben: Sie hat – neben ihrem ungeheuer talentierten Fotografen-Auge – ein großformatiges Herz für diese Stadt. Und will deshalb die Erlöse des Buches musikalischen Kinder- und Jugendprojekten dort zukommen lassen.
"Ja, natürlich ist es wahnsinnig wichtig für die Geschichte des Techno, für die Geschichte Berlins. Also ohne Detroit wäre Berlin in der Musik ja auch nicht so gewachsen, anders gewachsen, nicht so wie jetzt. Aber ich glaub, ich denke gerade egoistischer: Ich möchte das zurückgeben, was ich bekommen habe, ja."
Die Fotos sind zu sehen bis Ende September in Galerie und Plattenladen DBR in Berlin-Neukölln oder online unter 313onelove.com
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