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"Es liegt nicht nur an den Amerikanern"

George Soros verdient sein Geld an den internationalen Finanzmärkten, fordert aber deren Steuerung, sowohl der Geld-, als auch der Kreditmenge. Nationale Interessen vertieften zurzeit die Meinungsunterschiede, was eine Regulierung angeht, moniert Soros - und kritisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel.

26.06.2010
    Am Wochenende tagt in Huntsville der G8 und in Toronto der G20-Gipfel. Thema dort ist der Zusammenbruch am Finanzmarkt 2008 und die gegenwärtige Krise in Europa. Welche Ursachen für die Krise sieht der Finanzinvestor George Soros und welche Forderungen hat er an die führenden Politiker der Welt? Seine Position erläutert George Soros im Interview mit dem Deutschlandfunk. Das Gespräch führte Jürgen Zurheide, und fragte zunächst, warum George Soros die Märkte reguliert sehen will.

    Soros: Weil ich als Spekulant im bestehenden Regelwerk arbeite und versuche, damit Geld zu verdienen. Wenn es aber darum geht, die Regeln zum Funktionieren zu bringen, dann ist eben mein Interesse, dass sie möglichst gut funktionieren. Ich bin sogar sehr erpicht darauf, dass sie besser funktionieren, denn sie haben so großen Schaden in den vergangenen Jahren angerichtet – zunächst einmal in diesem Zusammenbruch im Jahr 2008 und dann jetzt auch in der gegenwärtigen Krise in Europa.

    Zurheide: Die ökonomische Theorie sagt uns, Märkte gehen zum Gleichgewicht, zur Harmonie, aber in der Realität sieht das oft anders aus. Da gibt es Blasen, da wird Schaden angerichtet. Ist die Theorie falsch?

    Soros: Das trifft zu. Ich habe über dieses Thema ein Buch oder mehrere Bücher geschrieben. Ich glaube, dass meine Gedanken nach und nach besser aufgenommen werden.

    Zurheide: Auf dem Gipfel wird jetzt wieder über Regulierung geredet, die Amerikaner widersetzen sich. Warum stehen die so auf der Bremse, warum blockieren die?

    Soros: Nun, ich glaube, es liegt nicht nur an den Amerikanern. Leider bemerken wir erhebliche Meinungsunterschiede zwischen den unterschiedlichen Parteien. Wir haben eine Globalisierung der Finanzmärkte erlebt, auf der falschen Annahme begründet, dass dies ohne Regulierung möglich sei. Diese falsche Auffassung ist mittlerweile diskreditiert, denn die Märkte sind zusammengebrochen und mussten gerettet werden. Jetzt, wo es an die Regulierung geht, sind immer noch einzelne nationale Behörden mit ihren eigenen Interessen, mit ihren Vorurteilen, mit ihren Einseitigkeiten am Werke, jedoch hat der erste G20-Gipfel in London gute Arbeit geleistet – sie haben ein Rettungspaket im Umfang von einer Billion Dollar geschnürt. Jetzt jedoch haben sich die Meinungsunterschiede sehr vertieft – leider.

    Zurheide: Welche Regeln halten Sie denn für notwendig?

    Soros: Ich habe versucht, das zu erklären. Es reicht eben nicht aus, nur die Geldmenge zu steuern, nein, man muss auch die Kreditmenge kontrollieren, weil die Märkte eben durch dieses Auf und Ab der Hochkonjunktur und des Konjunkturtales gehen. Und hier muss man eben darauf achten, dass diese Konjunktur nicht zu stark überhitzt wird, denn danach, nach dem Zusammenbruch dieser Konjunktur, dieser Hochkonjunktur, ist es sehr, sehr schwer zu steuern.

    Zurheide: Kommen wir zur Europäischen Union: Wie sehen Sie Griechenland ökonomisch, die Entwicklung?

    Soros: Nun, ich glaube, Griechenland ist mittlerweile ganz gut versorgt. Sie haben genug Geld für drei Jahre bekommen. Jetzt liegt es an den Griechen, eine möglichst erfolgreiche Politik umzusetzen, insbesondere wenn es darum geht, diese Exzesse in der Ausbeutung des Staates zu vermeiden.

    Zurheide: Und wie wird sich das Sozialprodukt entwickeln?

    Soros: Ja, sie sind jetzt natürlich in einer Phase der wirtschaftlichen Depression, aber das Problem liegt jetzt sehr viel stärker in Spanien. Dazu gibt es dreierlei zu sagen: Erstens ist es in Spanien sehr viel stärker eine Krise des Bankenwesens. In Griechenland war es eine Krise des Staatskredites, jetzt in Spanien ist die Bankenkrise ausgebrochen. Die Banken sind überexponiert, sie haben diese Leverage-Wirkungen zu stark ausgenutzt und sie haben sehr viele Bestände, die den Marktwert nicht mehr bringen, den sie buchmäßig haben. Und deswegen gilt es jetzt, finanzielle Stabilität wieder herzustellen dadurch, dass man frisches Geld zuschießt. Diese Finanzstabilitätsfonds muss für diesen Zweck verwendet werden. Wenn das gelingt, dann werden Sie sehen, ist Spanien nicht der große Problemfall.

    Zurheide: Wird es in Griechenland und anderswo so etwas wie Unruhen geben, gehen die Menschen auf die Straße und demonstrieren?

    Soros: Nun, die Schwierigkeit liegt geradezu tragischerweise darin, dass man jetzt versucht, die Maastricht-Kriterien durchzusetzen, während man es doch versäumt hat, sie zu den Zeiten der Hochkonjunktur zur Geltung zu bringen. Es ist sozusagen die richtige Medizin zur falschen Zeit. Und diese Einschränkungen werden, wenn sie jetzt durchgesetzt werden, im Rest Europas eine Deflationsspirale auslösen – mehr als in Deutschland selbst. Deutschland selbst steht relativ gut da, weil die deutsche Volkswirtschaft wettbewerbsstark ist. Deutschland hat ja das eigene Haushaltsdefizit begonnen abzubauen, etwa indem es nicht zugelassen wurde, dass die Löhne und Gehälter anstiegen, obwohl die Kaufkraft des Euro nachgelassen hat. Aber das wird für andere Länder einen negativen Effekt haben. Es wird die anderen Länder zwingen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland zu verbessern durch eine Niedriglohnpolitik, durch eine Bekämpfung des Preisanstieges. Was also Deutschland hilft, schadet den anderen Ländern. Es kann in den anderen Ländern einen Deflationszyklus auslösen, der ganz stark an das erinnert, was in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts in diese lange Phase der wirtschaftlichen Depression geführt hat.

    Zurheide: Die deutsche Kanzlerin, heißt es, hat die Rettungspakete auch wegen der Wahlen hier zu spät geschnürt – ist das richtig?

    Soros: Ja, das stimmt, und deswegen lagen die Kosten dieses Rettungspaketes auch dreimal höher, als es hätte sein müssen. Doch jetzt gilt es nach vorne zu schauen. Wir müssen jetzt die Banken rekapitalisieren, und wenn man die Steuerpolitik anzieht, was teils aufgrund von politischem Druck geschieht, teils wegen verfassungsrechtlicher Erfordernisse in Deutschland, teils auch wegen des Zwangs der Märkte, dann muss man andererseits die Geldpolitik lockern. Dies enthält natürlich Gefahren der eigenen Art, und es wird sicherlich auch auf starken Widerstand durch die Europäische Zentralbank treffen. Ich meine, es bedarf eines Wandels im Verständnis dieses Problems, wie es bewältigt werden kann. Da aber Deutschland weniger unter den Problemen leiden wird als andere Länder und da Deutschland im Wesentlichen fühlt, dass es die richtige Politik verfolgt hat, neigt man hier dazu, es auch allen anderen Ländern so vorschreiben zu wollen, doch halte ich das für nicht tragbar. Es kann nicht nur Länder mit Handelsüberschuss geben. Für jedes Land mit einem Leistungsüberschuss muss es auch ein Land mit Leistungsdefizit geben. Es kann nicht sein, dass die gesamte Last nur durch einige Länder, durch die Defizitländer getragen wird. Wenn das so ist, dann führt das zu einer Spirale der Deflation, die damals in diesen 30er-Jahren zu der großen Depression geführt hat.

    <u>Zum G20-Gipfel auf dradio.de:</u>

    Treffen der Mächtigen beim G8- und G20-Gipfel