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Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
Start in eine ungewisse Zukunft

Das neu geschaffene Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten in Berlin soll die Flüchtlingsverwaltung besser organisieren und das Landesamt für Gesundheit und Soziales entlasten. Doch Kritiker sehen einen „Etiketten-Schwindel“, durch den nichts besser werde. Es mangele vor allem an Personal und neuen Strukturen.

Von Daniela Siebert | 01.08.2016
    Flüchtlinge warten am 04.01.2016 in Berlin bei frostigen Temperaturen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo).
    Flüchtlinge warten im Winter in Berlin bei frostigen Temperaturen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo). (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Rückblick. Erster September letzten Jahres: nach der unerträglichen Hitze der letzten Tage, fängt es vor dem Lageso an zu regnen. Nun stehen Hunderte nach Berlin Geflüchtete im doppelten Wortsinn im Regen. Tagelang harren sie schon vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Lageso aus, um endlich registriert zu werden. Dieser Iraker ist schon sehr resigniert:
    "13 Tage wir warten auf Nummer. Wir warten und keine Nummer. Problem ich weiß nicht. Kein Ort ich schlafen. 13 Tage wir schlafen in Straße."
    Viele Tage lang konnte das Amt im Sommer 2015 weder ausreichend Wartenummern noch ausreichend Unterkünfte für die Hilfesuchenden aufbieten. Damals wurde langsam aber sicher deutlich, dass diese Berliner Behörde mit dem Ansturm von Asylsuchenden hoffnungslos überfordert war. Ohne die Unterstützung der freiwilligen Helfer aus der Bevölkerung wäre die Lage rund um das Lageso-Gebäude mitten in der Stadt völlig entgleist. Es fehlte an allen Ecken: kein Schatten für Hunderte draußen in der Hitze Wartende, unzureichende Verpflegung, übergriffige und korrupte Sicherheitskräfte, zu wenige Vorsprachetermine, schleppende Antragsbearbeitung, verschwundene Akten, usw.
    Neue Behörde zur Verwaltung der Zufluchtssuchenden
    Im Dezember 2015 entschied die Berliner Regierung daher, das Lageso zu entlasten und eine neue Behörde speziell für die Verwaltung der Zuflucht-Suchenden zu schaffen: das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten wurde aus der Taufe gehoben, kurz LAF.
    Berlins Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja, CDU, resümiert.
    "Die Beschäftigtenanzahl innerhalb des Lageso ist enorm gewachsen, 30 Prozent des Lageso machte auf einmal der Bereich Flüchtlinge aus. Und weil die Aufgaben so gewachsen sind, und weil die Herausforderungen in der Zukunft auch weiter da sein werden, haben wir uns damals entschieden ein neues Amt zu gründen, ich benutze das Wort selten, aber das war aus meiner Sicht alternativlos. Das neue Landesamt muss personell und strukturell in der Lage sein, schnell auf wachsende Anforderungen auch von globalem Ausmaß zu reagieren, damit wir solche Situationen wie wir sie erleben mussten, nicht mehr haben, wir sprechen immer von einer 'atmenden Behörde'."
    Allerdings ist die Ausgliederung des Aufgabenbereiches aus dem Lageso auch ein Hürdenlauf:
    Das LAF wird mit verschiedenen Standorten in der Stadt operieren. Einer der zwei größten soll erst 2017 bezogen werden und ist derzeit noch Baustelle.
    Das Personal der neuen Behörde – 550 an der Zahl - kommt zum Teil aus dem Lageso, aber auch aus Zeitarbeitsfirmen und anderen Quellen bis hin zu Pensionären. Jeder 10. Arbeitsplatz konnte noch nicht besetzt werden.
    Berliner Opposition äußert Bedenken
    Die Leitung des LAF hat eine Juristin übernommen. Claudia Langeheine, bislang Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Dem RBB-Fernsehen sagte sie:
    "Die größte Herausforderung wird sein, aus meiner Sicht, die Struktur der Behörde, die wir jetzt vorgeplant haben über mehrere Monate, die auch tatsächlich zum Fliegen zu bringen, damit die Verbesserungen, die wir uns erhoffen für die Geflüchteten, aber auch für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, damit die dann auch eintreten können. Ich habe einen großen Elan und großen Ehrgeiz, weil viele Beschäftigte des Lageso und des Flüchtlingsstabes mit großem Engagement und sehr viel Energie und auch Flexibilität an der Aufgabe sind."
    Die Berliner Opposition beurteilt den heutigen Start des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten daher durchaus ambivalent:
    Hakan Tas, flüchtlingspolitischer Sprecher der Linken, freut sich, dass der Flüchtlingspolitik nun auch strukturell höhere Beachtung geschenkt wird. Er warnt aber, reine Umstrukturierungen hätten in der Vergangenheit in diesem Bereich die Serviceleistungen nicht verbessert.
    Der flüchtlingspolitische Sprecher der Piraten, Fabio Reinhardt, hält zwar eine neue Behörde für notwendig, wertet das LAF so wie es jetzt startet aber als "Etikettenschwindel".
    "Die Prozesse, die Strukturen werden weitestgehend aus dem Landesamt das da bisher schon zuständig war übernommen. Vieles fehlt noch, die Einstellungsprozesse sind noch nicht abgeschlossen, selbst in der Führungsebene sind noch einige Stellen vakant, d.h. wir haben ein Rumpf-Amt, was letztendlich noch angewiesen ist auf die Zuarbeit und die Unterstützung von externen Kräften oder auch vom bisherigen Lageso, d.h. das neue Amt ist bisher im Grunde genommen das alte Amt."
    Ungewisse Zukunft für Flüchtlingshelfer
    Und auch die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer äußern sich zurückhaltend. Christiane Beckmann vom Netzwerk "Moabit hilft" sagt.
    "Unsere Erwartungen sind natürlich, dass es ganz klar eine positive Veränderung gibt, die Hoffnung ist letztendlich natürlich, dass dann endlich auch hier Gesetze eingehalten werden, die ja tagtäglich seit Monaten gebrochen werden. Also ein Beispiel ist: laut Asylbewerberleistungsgesetz steht jedem Geflüchteten nach spätestens sechs Monaten eine Selbstversorgung zu. Diese Selbstversorgung bedeutet nichts mehr als dass man für sich selber kochen kann und sich selber die Seife aussuchen kann, also man kriegt einen geringen Geldsatz und da wird hier jeden Tag gegen verstoßen."
    Bis zum 1. August war ihre Gruppe mit Helfern und einer Kleiderkammer auf dem Lageso-Gelände in einem der Gebäude präsent. Wie es nun weitergehen wird weiß sie noch nicht, Gespräche mit dem neuen Amt seien aber geplant.
    Mit Unklarheit kämpft auch das LAF selbst. Als es geplant wurde, kamen täglich um die 500 Flüchtlinge nach Berlin. Derzeit sind es nur noch rund 30. Der Bund wäre zwar zu einer Prognose verpflichtet, nennt den Ländern aber schon seit Monaten keine neuen Zahlen für die erwartete Entwicklung. Kurzum: das LAF startet in eine sehr ungewisse Zukunft, als "atmende Behörde" irgendwo zwischen Gähnen und Japsen.