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Diesel-Studie
"Der Gesetzgeber muss reale Tests einführen mit realen Fahrzeugen"

Einige der modernsten Diesel-Pkw stoßen laut dem Forscherverbund ICCT mehr als doppelt so viel giftige Stickoxide aus wie Lastwagen oder Busse. Die Wissenschaftler seien selbst überrascht über das Ergebnis, sagte Peter Mock vom ICCT im Deutschlandfunk. Schuld seien die Vorschriften - Pkws müssten unter realen Bedingungen getestet werden.

Peter Mock im Gespräch mit Stefan Römermann | 06.01.2017
    Ein Auto mit zwei Auspuffen fährt in Berlin.
    Ein Auto mit zwei Auspuffen fährt in Berlin. (AFP / Johannes Eisele)
    Stefan Römermann: Sauber und sicher - das sind moderne Dieselfahrzeuge, das hat die Autoindustrie immer wieder versprochen. VW hat seine Technik in den USA gar als clean Diesel beworben, doch spätestens seit dem Abgasskandal wissen wir, ganz so sauber sind die meisten Dieselautos nicht. Das unabhängige Forschernetzwerk ICCT, das auch schon an der Aufdeckung des Dieselgate-Skandals beteiligt war, das hat noch jetzt nachgelegt, und die Abgase moderner PKW mit der neusten Abgasnorm Euro 6 untersucht. Über die Ergebnisse spreche ich jetzt mit Peter Mock vom ICCT Europe. Herr Mock, in Ihrer Untersuchung, da vergleichen Sie den Schadstoffausstoß von PKW mit dem von Lkw und Bussen. Das ist doch ein bisschen, also ob man jetzt Äpfel mit Birnen vergleichen würde oder vielleicht in dem Fall eher mit Wassermelonen, oder?
    Peter Mock: Man würde tatsächlich am Anfang vermuten, dass man die zwei Fahrzeugtypen nicht vergleichen kann. Letztlich ist es aber so, dass die Technologie, die zum Einsatz kommt, beim PKW und beim Lkw gar nicht so unterschiedlich ist.
    Römermann: Also die Reinigungstechnologie an der Stelle.
    Mock: Genau. Es läuft vor allem auf die sogenannte SCR-Technologie raus, wo man Harnstoff einspritzt, um die Dieselabgase zu säubern, und diese Technologie beim Lkw im Einsatz und auch beim Diesel-Pkw.
    Stickoxidausstoß bei Pkw doppelt so hoch wie bei Lkw
    Römermann: Warum sind denn dann die Lkw so viel dreckiger? Entschuldigung, die Pkw sind so viel dreckiger.
    Mock: Genau, also die Pkw haben ungefähr in der Realität, die Diesel-Pkw, ungefähr einen doppelt so hohen Stickoxidausstoß wie die Lkw, und wir sind eben der Meinung, dass es nicht so sehr an den technischen Maßnahmen liegt, weil die Technologie im Grunde dieselbe ist, auch wenn man beim Lkw natürlich mehr Platz hat und es von daher platzmäßig einfacher ist, aber ansonsten ist es sehr ähnlich, sondern wir glauben, das liegt an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Bei den PKW werden nämlich im Moment die Fahrzeuge nur im Labor getestet und da auch nur ausgewählte Prototypen, die vom Hersteller bereitgestellt werden. Bei den Lkw ist es schon seit 2013, 14 so, dass Messungen auf der Straße vorgeschrieben sind. Also nicht nur im Labor wird getestet, sondern auch auf der Straße, und nicht nur Prototypen, sondern ganz normale, reale Lkw werden dort getestet.
    Peter Mock, Managing Director der Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) in Deutschland.
    Peter Mock, Managing Director der Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) in Deutschland. (picture alliance / dpa / Daniel Naupold)
    Römermann: Was macht das denn für einen Unterschied, ob ich jetzt nun einen Prototyp teste oder ein reales Fahrzeug, also ein Serienfahrzeug?
    Mock: Das macht den Unterschied, dass man, wenn man ihn nur im Labor testet und wenn man auch nur einen Prototypen testet, dass man sehr genau auf diesen Labortest das Fahrzeug optimieren kann. Man kann es also mit besonders guter Abgasreinigungstechnologie ausstatten zum Beispiel …
    Sauberere Pkw durch Straßentests
    Römermann: Also die bauen einen sauberen Prototypen auf der einen Seite und einen dreckiges Serienfahrzeug.
    Mock: Das wäre eine Möglichkeit oder dass man einfach den Bereich, der im Labor getestet wird, eben sehr gut abdeckt mit der Abgasnachbereinigung, aber zum Beispiel, wenn ich dann entsprechend schneller fahre oder wenn ich etwas stärker beschleunige als im Labor, dann ist das Fahrzeug nicht mehr so sauber. Das hat man jetzt bei einigen Diesel-Pkw leider gesehen, und je mehr ich auf der Straße teste und je mehr ich weggehe von den Prototypen, desto schwieriger wird es für den Hersteller, auch die entsprechenden Testbedingungen zu optimieren, und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrzeuge dann auch im realen Betrieb sauberer sind.
    Ausmaße überraschten
    Römermann: Dass LKW grundsätzlich etwas realistischer getestet werden, das ist ja nicht neu. Hat Sie trotzdem an diesem Test was noch besonders überrascht?
    Mock: Uns hat die Dimension vor allem überrascht. Also wir sind davon ausgegangen, dass die Lkw recht gut dastehen, was die Abgasemissionen angeht, aber natürlich haben auch wir erwartet, dass sie eigentlich höhere Emissionen haben als die Diesel-Pkw, weil man muss sich ja vor Augen führen, wir vergleichen hier einen 18, 20 oder sogar 30-Tonnen-Lkw mit einem – sage ich mal – eineinhalb-Tonnen-Diesel-Pkw, und da würde man erwarten, dass die Emissionen beim Lkw wesentlich höher sind. Wir stellen aber genau das Umgekehrte fest: Beim LKW sind sie niedriger, und wenn man berücksichtigt, dass der Lkw ja eine viel höhere Last hat, einen viel höheren Kraftstoffverbrauch als der Pkw, dann sind die Stickoxidemissionen sogar ungefähr den Faktor zehn höher bei den Diesel-Pkw als bei den Lkw, und das finde ich schon sehr erstaunlich.
    Hersteller brauchen mehr Anreize durch Vorschriften
    Römermann: Sind jetzt die Hersteller die Bösen oder brauchen wir wirklich einfach strengere gesetzliche Vorschriften?
    Mock: Ich denke, es liegt vor allem an den Vorschriften. Also von der technischen Seite her sind niedrige Stickoxidemissionen möglich, es gibt auch heute schon Diesel-Fahrzeuge, Diesel-PKW, die sehr niedrige Emissionen haben, auch im Realbetrieb, aber es gibt natürlich oder gab bislang für die Hersteller kaum Anreize, die Fahrzeuge auf den Realbetrieb zu optimieren, und das muss geändert werden. Der Gesetzgeber muss also reale Tests einführen auch mit realen Fahrzeugen, und dann, glauben wir, werden die Stickoxidemissionen deutlich sinken.
    Römermann: Peter Mock vom Forschernetzwerk ICCT. Vielen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.