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Bundespräsidentenwahl
Wer zieht in die Hofburg ein?

Patt-Situation nach der Stichwahl um das Bundespräsidenten-Amt in Österreich. Nach dem Wahlabend steht es zwischen den Kandidaten Hofer und Van der Bellen ungefähr fifty-fifty. Ein klarer Sieger ist noch nicht in Sicht, dazu fehlen noch die etwa 700.000 Briefwahl-Stimmen, die noch ausgezählt werden. Ganz Österreich wartet auf das amtliche Endergebnis.

Von Stefan Ozsváth | 23.05.2016
    Die österreichischen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer am Wahlabend
    Die österreichischen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer am Wahlabend (afp / Helmut Fohringer)
    Der ehemalige Grünen-Chef Van der Bellen konnte im Vergleich zum ersten Wahlgang stark aufholen. Nicht unbedingt sein Verdienst, meinte im ORF Rainer Nowak, Chefredakteur der konservativen Tageszeitung "Die Presse".
    "Ich glaube, das war kein grüner Wahlerfolg, sondern das war ein Erfolg des Lagers gegen die FPÖ, gegen Norbert Hofer. Deswegen wird wahrscheinlich das Triumphgeheul auch nicht zu groß werden. Wenn, dann wird es ein sehr knapper Sieg überhaupt."
    Im Moment hat der Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer nach Auszählung der Stimmen - ohne Wahlkarten - noch etwas die Nase vorn. Allerdings dürften die Briefwähler eher den Ex-Grünen-Chef Van der Bellen begünstigen – Wahlforscher prognostizieren ihm deshalb einen knappen Sieg. Wie sieht Van der Bellen das andere Lager, das seinen Widersacher gewählt hat? Sind Hofer-Wähler alle Rechtspopulisten?
    "Das ist nur ein Teil. Vielleicht ein kleiner Teil. Der andere Teil der Wählerinnen und Wähler ist zornig, wütend über die Vergangenheit des Stillstands. Ich hoffe, dass es Vergangenheit ist und mit dem neuen Bundeskanzler, den neuen Ministern und Ministerinnen ein neuer Schwung in die Regierung kommt."
    Eine Protestwahl also. Unzufriedenheit mit der gefühlt ewigen Großen Koalition. Die SPÖ tauschte jüngst ihren Kanzler und Parteichef aus – auf Faymann folgte der Bahnmanager Christian Kern. Für den neuen Bundespräsidenten – wer auch immer in die Hofburg einzieht, heißt es jetzt: Brücken bauen – denn die Wahl offenbarte tiefe Gräben. Politologe Anton Pelinka meinte dazu im ORF.
    "Es ist zunächst einmal eine Spaltung. Es fällt auf, dass Frauen und Männer sehr unterschiedlich gewählt haben, dass der Graben zwischen urbanen Ballungszentren und dem übrigen Österreich tiefer ist als erwartet. Das ist eine gesellschaftliche Kluft."
    Städter, Frauen und Gebildete wählen Van der Bellen
    Männer, eher wenig gebildet, Ältere und Österreicher vom Land wählten den FPÖ-Kandidaten. Alexander Van der Bellen dagegen konnte die Städte erobern, vor allem die Hauptstadt Wien, die Gebildeten, die Frauen. Er konnte auch viele Stimmen der unterlegenen Kandidaten aus dem ersten Wahlgang zu sich herüber ziehen. Und vor allem eins: Seine Warnung vor einer Blauen Republik – Blau ist die Farbe der FPÖ – zog, meinte Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin der liberalen Tageszeitung "Der Standard" im ORF.
    "Das Argument, wir wollen ein Zeichen gegen Rechts setzen, hat offenbar gezogen. Österreich wäre im internationalen Betrachten mit einem Bundespräsident Hofer, wäre dann in der Liga von Polen und Ungarn, und das war offenbar schon ein Argument, dass viele dazu gebracht hat für Van der Bellen zu stimmen."
    Die Briefwähler entscheiden nun die Wahl – bis 19 Uhr soll laut Wiener Innenministerium klar sein, wer in die Hofburg einzieht.