Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Wiederwahl von Irans Präsident Ruhani
"Fehlende Durchsetzungskraft ist überwiegend nicht seine Schuld"

Amtsinhaber Hassan Ruhani wurde bei der iranischen Präsidentenwahl wiedergewählt. Offenheit nach außen und demokratische Reformen nach innen wünschten sich die meisten Iraner offenbar weiterhin, sagte der Politikwissenschaftler Jochen Hippler im Deutschlandfunk. Aus vielerlei Gründen sei sein Spielraum aber begrenzt.

Jochen Hippler im Gespräch mit Jasper Barenberg | 20.05.2017
    Jochen Hippler, Politologe und Friedensforscher an der Universität Duisburg
    Jochen Hippler, Politologe und Friedensforscher an der Universität Duisburg (Imago / Metodi Popow)
    Jasper Barenberg: Zurück zu den islamischen Wurzeln oder weiter mit der Politik der vorsichtigen Öffnung? Bei der Präsidentenwahl im Iran ist die Entscheidung deutlich ausgefallen mit einer klaren Mehrheit für Präsident Hassan Ruhani und seinen moderaten Reformkurs und gegen den konservativ-religiösen Herausforderer Raisi.
    Und am Telefon ist der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Jochen Hippler, die Länder des Nahen und Mittleren Ostens gehören zu seinen Forschungsschwerpunkten. Schönen guten Tag, Herr Hippler!
    Jochen Hippler: Guten Tag, Herr Barenberg!
    Barenberg: Für weitere Reformen, gegen eine konservativ-religiöse Wende – ist das das wichtige Signal dieser Wahl?
    Hippler: Ich glaube, dass das zweite Signal vielleicht noch darin besteht, dass man das kleinere Übel gewählt hat. Es gibt schon eine gewisse Ernüchterung mit Ruhani, die gab es in der letzten Zeit, gerade weil die Reformen immer abgeblockt worden sind von der reaktionären Führung von Herrn Khamenei. Gerade weil auch die wirtschaftliche Lage sich nicht so verbessert hat, wie man gehofft hat. Aber die Vorstellung, diesen extrem konservativen oder reaktionären Herrn Raisi als Präsident zu haben, war dann sicher noch abschreckend.
    Schwächen des Präsidenten gehen zum Teil von Gegnern aus
    Die Chancen für Raisi waren ja zunächst mal gar nicht so schlecht. Der Klerus war auf seiner Seite, die sogenannten Hardliner, wie wir immer hier sagen, die staatlichen Medien. Und in der Tat ist die Wirtschaftsbilanz von Ruhani gar nicht so gut gewesen. Wieso hat er trotzdem die Wahl verloren?
    Hippler: Nun, tatsächlich weil eben in Teilen der Bevölkerung der gegenwärtige Präsident mit seinem Versprechen der Offenheit nach außen und auch mit seinem Versprechen der Reformen, auch demokratischen Reformen nach innen eigentlich auf große Sympathie trifft und man eigentlich ihm nur vorwirft, dass er sich nicht durchsetzen kann. Das ist aber überwiegend gar nicht seine Schuld, sondern liegt eben an den Leuten um den Führer Khamenei, die eben solche Reformen immer blockieren. Der Sicherheitsrat, das Militär, die Polizei, der Justizapparat, die Medien unterstehen überhaupt nicht der Regierung, also auch nicht dem Präsidenten, sondern eben dem Führer und wurden häufig eingesetzt, um eben den Regierungen Schwierigkeiten zu machen. Man hat tatsächlich natürlich im Iran auch verstanden, dass die Schwächen von Präsident Ruhani teilweise gar nicht von ihm, sondern von seinen Gegnern ausgegangen sind.
    Barenberg: "Lieber arm und frei mit Ruhani als reich und islamisch mit Raisi", hat eine Bloggerin in Teheran kommentiert. Trifft das ungefähr die Stimmung in der Bevölkerung?
    Hippler: Nein, das würde ich nicht so sehen. Reich, das ist so eine Sache. Also, auch die Arbeitslosigkeit hat jetzt zugenommen und Raisi hat eben eigentlich kein wirtschaftliches Konzept vorgelegt, was funktionieren würde, sondern hat in gewisser Weise eine Rückkehr zur Subventionspolitik von Präsident Ahmadinedschad versprochen. Das heißt, es gab eben Wahlversprechen, Subventionen zu erhöhen. Und das hat manche Leute aus den ärmeren, arbeitsloseren Teilen der Bevölkerung schon motiviert, weil da eben ein Versprechen, halt Geldzahlungen zu kriegen, manche Geldzahlungen zu verdreifachen, natürlich nicht unattraktiv ist. Aber wirtschaftspolitisch ist darüber hinaus bei Raisi relativ wenig gekommen, da vertraut man eigentlich dem Präsidenten Ruhani wesentlich mehr, dass er was von Wirtschaft versteht und seine Regierung und dass da auch Fortschritte möglich sind. Das Wachstum ist ja nun halt auch über sechs Prozent gestiegen in letzter Zeit, nur die Arbeitslosigkeit ist eben noch nicht gesunken, sondern teilweise noch hochgegangen.
    Barenberg: Bei all den Einschränkungen, die es gibt für seine Politik, Sie haben es genannt: Sein Spielraum ist nicht sehr groß oder ist eingeschränkt durch den Wächterrat und andere Institutionen. Wie viel Fortschritt ist denn da, sagen wir: in der Wirtschaftspolitik, möglich jetzt dann in der zweiten Amtszeit?
    Hippler: Also, in der Wirtschaftspolitik, das ist der Bereich, wo die Regierung am meisten Spielraum hat. Also, in anderen Fragen ist der Spielraum geringer, er hat keinen Einfluss auf Sicherheitspolitik, teilweise nur eingeschränkt auf außenpolitische Fragen. Aber in der Wirtschaftspolitik ist es relativ groß. Und da ist aber tatsächlich immer noch zu beklagen, dass eben viele Wirtschaftssanktionen des Auslands nicht völlig abgebaut worden sind. Also, der Atom-Deal, der geschlossen worden ist, der die Sanktionen ja beseitigen sollte, hat eben nur einen Teil der Sanktionen beseitigt, viele amerikanische Einschränkungen, die sehr wichtig sind etwa in fertig Finanzpolitik, im Bankenwesen, Kreditwesen sind weiter in Kraft. Und das ist auch eine Dämpfung für europäische Unternehmen und europäische Regierungen, die eigentlich weiter öffnen möchten dem Iran gegenüber, auch aus Eigeninteresse, die aber aus Rücksicht auf amerikanische Geschäftspartner dann doch zurückhaltend sind. Also, das ist eine Frage, die in der Wirtschaftspolitik Herrn Ruhani weiter Schwierigkeiten machen werden und auf die natürlich kein Zugriff hat, ob die US-Regierung beispielsweise oder die US-Unternehmen jetzt eben weitere Schritte zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit nehmen oder nicht. Das wird in Washington entschieden.
    Absicht der US-Administration noch unklar
    Barenberg: Wird in Washington entschieden, und alle haben im Moment den Eindruck, dass eine außenpolitische Linie, ein außenpolitisches Konzept auch in diesem Punkt – Umgang mit Iran, dem Abkommen und den Sanktionen – gar nicht zu erkennen ist. Wie beurteilen Sie die Signale, die aus Washington kommen?
    Hippler: Ja, sie sind so verwirrend wie in vielen anderen Fragen auch. Wenn Sie die Palästina-Politik nehmen, das Verhältnis zu Israel nehmen, wenn Sie alle möglichen Dinge nehmen, da können wir immer noch raten, was der Präsident eigentlich vorhat oder ob er irgendwas vorhat. Also, er hat eben erst im Wahlkampf sehr militant antiiranische Äußerungen getan und auch angedroht, das Atomabkommen zum Scheitern zu bringen. Seitdem er an der Regierung ist, ist diese Rhetorik massiv zurückgenommen worden, da hört man kaum noch was davon. Jetzt gab es wieder so ein paar antiiranische Äußerungen. Und seinen Auftaktbesuch in Saudi-Arabien, also dem durchgreifendsten Feind des Irans in der Region selbst, könnte man wieder als ein Signal lesen. Das heißt, wir wissen im Moment immer noch nicht, worauf die amerikanische Regierung unter Trump eigentlich zielen wird. Das richtige Sabotieren des Atom-Vertrages – und das hätte große Auswirkung auf die iranische Innenpolitik – wird nicht mehr so stark nach vorne gedrängt, ist aber auch noch nicht abgeblasen. Da weiß man im Iran und in Europa tatsächlich noch nicht, woran wir sind.
    Barenberg: Der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Jochen Hippler heute Mittag hier live im Deutschlandfunk. Danke für Ihre Zeit!
    Hippler: Sehr gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.