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Lange vor klinischen Symptomen erkannt

Medizin. - Lepra ist viel mehr als eine Infektion der Nerven. Lepra, das sind verkrüppelte Hände und amputierte Füße, das ist Stigma und Isolation. Dabei gibt es eine effektive Behandlung, die die Weltgesundheitsorganisation kostenlos verteilt. Doch immer noch werden die Kranken viel zu spät erkannt. Hier will ein neuer Test Abhilfe schaffen, der in Brasilien zugelassen wurde.

Von Volkart Wildermuth | 21.02.2013
    Im Cafe der Leprainitiative sitzt Arega Kassa Zelelew. Zur Begrüßung nimmt er die angebotene Hand zwischen seine Handflächen. Der typische Gruß der Leprapatienten. Der ehemalige Elektrotechniker hat nur noch wenige, verkrümmte Finger. Greifen kann er mit ihnen nicht mehr. Die ersten Symptome hatte er schon vor Jahrzehnten bemerkt, doch damals gab es keine wirksame Therapie und so zerstörte das Leprabakterium seine Nerven.

    "Ich habe das nicht verstanden. Manchmal fiel mir der Schraubenzieher aus der Hand, oder der Lötkolben hat mich verbrannt, im Bus habe ich mich am Fuß verletzt und ich habe nichts gemerkt. Ich hatte meine Empfindungen verloren. Ich hatte Geschwüre, deshalb mussten meine Beine amputiert werden. Wenn man nichts spürt, kann man auch mit Geschwüren laufen."

    Das ist die Realität der Lepra. Noch immer, trotz aller Programme. Die Patienten gehen zu spät zum Arzt, der hält den unempfindlichen Hautfleck vielleicht erst für eine Pilzinfektion, und wenn dann am Ende die richtiger Diagnose gestellt ist, die kostenlose Behandlung Mycobacterium leprae abgetötet hat, ist der Schaden nicht mehr rückgängig zu machen. Ein Lepra-Schnelltest könnte die Situation deutlich verbessern. Im Zeitalter der Molekularen Medizin kein Problem sollte man meinen, doch da winkt Dr. Malcolm Duthie ab.

    "Bei der Lepra ist nichts einfach. Der Erreger lässt sich nicht im Labor vermehren. Er teilt sich nur alle zwei Wochen, normale Bakterien brauchen nur 20 Minuten, es ist absurd."

    Seit dem Jahr 2000 ist aber die Genomsequenz von Mycobacterium leprae bekannt. Malcolm Duthie hat am Infectious Disease Research Institut in Seattle, USA, damit begonnen, die Proteine des Lepra Bakteriums in einfacher handhabbaren Laborkeimen zu vermehren. Dann hat sein Team systematisch untersucht, ob Antikörper im Blut von Leprapatienten auf diese Eiweiße reagieren. Eine Kombination aus fünf Eiweißen mit einem besonderen Fettbestandteil aus dem Bakterium erwies sich als besonders aussagekräftig.

    "Für unseren Test haben wir diese Bestandteile von Mycobacterium leprae im Labor hergestellt und auf eine Art Filterpapier gegeben. Man tropft auf der einen Seite etwas Blut auf und spült es mit einer Lösung durch den Test. Sind Lepraantikörper im Blut, zeigt sich ein bunter Streifen. So können wir die Infektion der Patienten innerhalb von zehn Minuten nachweisen."

    Das Prinzip ähnelt einem Schwangerschaftstest, die Handhabung ist einfach und verlässlich. Malcom Duthie sieht ein großes Potential für den Test. Er kann nicht nur Ärzten bei der Diagnose helfen, sondern auch zeigen, ob eine Behandlung anschlägt. Dann nämlich sinken die Antikörperspiegel. Vor allem reagiert der Test aber auch, bevor die Infektion mit Mycobacterium leprae zu Symptomen führt.

    "Das kann ich sagen, weil in den 80ern eine ganze Bevölkerungsgruppe auf den Philippinen über fünf Jahre untersucht wurde. Einige bekamen Lepra. Wir haben die Blutserum-Proben analysiert und konnten die Infektionen neun bis zwölf Monate vor der klinischen Diagnose entdecken."

    Die Forscher in Seattle haben den Test mit Geldern von Leprastiftungen entwickelt, ein Unternehmen in Brasilien wird ihn jetzt für etwa einen Dollar pro Test herstellen. Das ist billig genug für den breiten Einsatz. Erst in der Praxis wird sich dann zeigen, was der Test wirklich taugt. Denn bislang sind nur wenige Daten an kleinen Patientengruppen veröffentlicht, wie andere Lepraexperten bemängeln. Selbst wenn dieser Test nicht hält, was er verspricht, es gibt noch eine ganze Reihe weitere Leprafrühtests in der Pipeline. In Äthiopien setzt Kidist Bobosha, eine Mikrobiologin am renommierten Armauer Hansen Forschungsinstitut große Hoffnung in diesen Ansatz.

    "Wenn wir die Lepra früher diagnostizieren könnten, bevor die Symptome auftreten, etwa bei Mitbewohnern der Patienten, dann könnten wir sie behandeln, die Infektionsraten vielleicht wirklich senken und der Eliminierung der Lepra näher kommen."