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Saubere Zellen

Medizin. - Kein anderes Forschungsgebiet so viele Erfolgsmeldungen wie die Reprogrammierung von Zellen. Jeden Monat wurden revolutionäre Neuheiten verkündet. Auf dem Weg zu ungefährlichen, ethisch unbedenklichen Stammzellen. Nur einem Monat nach den ersten so genannten PIPS-Zellen, die ohne Embryonenverbrauch und ohne Gentechnik entstanden waren, wurde heute bekannt, das solche Zellen nun nicht nur bei Mäusen sondern auch von Menschen im Labor produziert werden können.

Von Michael Lange | 29.05.2009
    Kwang-Soo Kim forscht an der Harvard Medical School in Boston, der besten Adresse für Stammzellenforschung in den USA. An der McLean Klinik gehört er zum Labor für Neurobiologie. Stammzellenforschung ist für ihn kein Selbstzweck.

    "Ich interessiere mich für die Parkinson-Krankheit. Ich will wissen, wie aus Stammzellen dopaminbildende Gehirnzellen werden. Das sind die Zellen, die bei Parkinson-Patienten zugrunde gegangen sind und die in einer Therapie ersetzt werden müssen. Aber während ich daran arbeitete, habe ich gemerkt, dass weder embryonale Stammzellen noch adulte Stammzellen jemals in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen werden."

    Die bahnbrechenden Forschungen des Japaners Shinya Yamanaka brachten Kim zur Reprogrammierung. Das bedeutet: Reife Körperzellen, wie Hautzellen, werden umgeschult zu Zellen, die embryonalen Stammzellen weitgehend entsprechen. Anders als der Japaner Yamanaka wollte Kim die Reprogrammierung nicht mit eingeschleusten Genen, sondern mit Eiweißen durchführen: mit Proteinen. Dabei kam ihm die Gruppe um Sheng Ding vom Scripps-Institut in La Jolla, Kalifornien allerdings zuvor. Vor etwa einem Monat hatten die Kalifornier als erste Mäusezellen reprogrammiert – ohne Gentechnik: Mit einem Protein-Mix und einem chemischen Zusatz. Doch nun konnten die Harvard-Forscher menschliche Körperzellen reprogrammieren. Sie verwendeten Zellen aus der Vorhaut eines Neugeborenen und machten sie zu Alleskönnerzellen. Kim:

    "Die Forschergruppe um Doktor Ding hat einen ähnlichen Weg gewählt wie wir. Aber sie verwendeten zur Reprogrammierung Bakterienproteine von Escherichia coli. Diese Eiweiße erhielten dann spezielle Anhängsel, damit sie in die Säugetierzellen eingeschleust werden konnten. Das haben wir auch versucht. Aber es gab Probleme mit der Löslichkeit der Proteine. Deshalb haben wir statt Bakterienproteine zu verwenden, nur Material aus Säugetieren verwendet."

    Auf Chemikalien, die die Reprogrammierung fördern, konnte die Arbeitsgruppe um Kwang-Soo Kim verzichten. Die nicht unbedenkliche Substanz Valproinsäure erhöht die Erfolgsrate bei der Reprogrammierung. Das ist möglicherweise der Grund, warum die Ausbeute in der nun präsentierten Arbeit etwa zehnmal geringer ist als bei den Mäuseexperimenten. Die Qualität der Zellen jedoch genügt allen Ansprüchen der Stammzellenforschung. Alles sieht aus wie bei den ethisch umstrittenen menschlichen embryonalen Stammzellen. Kim:

    "Wir haben alle verfügbaren Methoden eingesetzt, um die Zellen zu vergleichen. Und alle untersuchten Merkmale entsprachen denen von embryonalen Stammzellen."

    Die reprogrammierten Zellen müssen sich nun in weiteren Experimenten bewähren. Das heißt: Sie müssen zeigen, dass sie sich zu dopaminbildenden Zellen weiter entwickeln können. Wenn das gelingt, sind sie für eine zukünftige Parkinsontherapie weit besser geeignet als embryonale Stammzellen oder adulte Stammzellen.