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Medizintechnik
Erbgut-Analyse mit Sonnenwärme und Smartphone

Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) dient dazu, Erbsubstanz zu vervielfältigen, um sie analysieren zu können. Normalerweise wird sie im Labor durchgeführt. US-Forscher wollen jetzt aber ein Gerät entwickelt haben, mit dem sich fast überall eine Polymerase-Kettenreaktion durchführen lassen soll.

06.05.2014
    Eine Petrischale mit Bakterienkulturen zur Genvermehrung und Reaktionsgefäße mit Enzym- und Salzlösungen für gentechnische Arbeiten
    Komplizierte Prozedur: Die Polymerase-Kettenreaktion dient dazu, Erbsubstanz zu vervielfältigen. (dpa picture alliance / Michael Rosenfeld)
    Ein Gerät, das PCR, Polymerase-Kettenreaktion, für einen Bruchteil der Kosten und zudem noch in der freien Natur ermöglichen soll, wollen Forscher vorstellen. Im Internet suche ich vorab nach KS-Detect. Viel mehr als den Namen des Geräts weiß ich noch nicht. Auf der Website der Cornell Universität im US-Bundesstaat New York, wo KS-Detect entwickelt wurde, findet sich ein Foto. Es zeigt ein turmartig aufgebautes Gerät. Drei Ebenen aus Plexiglas sind übereinander angeordnet, mit jeweils einer handbreit Abstand. Daneben liegt ein Mikrocontroller, verbunden mit einem Smartphone. Die ganze Technik liegt auf einem Stuhl, der irgendwo draußen in der Sonne steht, denn sie kann nur draußen verwendet werden. Per Skype erklärt mir der Leiter der Forschungsgruppe, David Erickson, die Funktionsweise.
    "Oben ist eine Linse, die wie eine Lupe wirkt, und wenn man sie auf die Sonne ausrichtet, fokussiert sie das Licht und erzeugt darunter, auf dem Mikrofluid-Chip ein Wärmemuster."
    Zwischen Linse und Chip sitzt noch eine kreisrunde Maske, die in manchen Arealen mehr Licht hindurch lässt, in anderen weniger. Im Wesentlichen wird der Chip in der Mitte stärker aufgeheizt als am Rand. Verschiedene Temperaturen braucht man für die Vervielfältigung von Erbsubstanz mittels PCR. Durch einen winzigen Kanal in dem Chip wird die DNA zwischen der heißen Mitte und dem kühleren Äußeren hin und her gepumpt.
    "Die DNA durchläuft einen Temperaturkreislauf: Sie wird auf 95 Grad erhitzt, auf 72 Grad abgekühlt und eine zeitlang auf dieser Temperatur gehalten, weiter auf paarundsechzig Grad abgekühlt und dort gehalten. Und jedes Mal, wenn man diesen Kreislauf wiederholt, reagieren die Enzyme und Primer und DNA miteinander und verdoppeln so die Menge der DNA."
    Temperatursensoren überprüfen Wärmeverteilung
    Je nach dem wie heiß die Sonne brennt, lässt sich der Abstand des Chips zur Linse einstellen. Temperatursensoren überprüfen, ob die Wärmeverteilung richtig ist. Überwacht wird alles mit einem an das Gerät angeschlossenen Smartphone, auf dem eine eigens entwickelte App läuft.
    "Das Smartphone hat drei Funktionen: Es ermöglicht uns den Prozess zu überwachen, es steuert das System und zeigt die Ergebnisse an."
    Und es versorgt die Technik mit der geringen Menge Strom, die zusätzlich zur Sonnenwärme noch gebraucht wird. Indem sie auf die Sonne setzen, konnten die Wissenschaftler den Stromverbrauch im Vergleich zu herkömmlichen Geräten auf maximal ein Zehntel verringern. Das war das Ziel: Einen so genannten Thermocycler zu entwickeln, der überall dort funktioniert, wo ein Smartphone zur Verfügung steht. Denn David Erickson will KS-Detect beispielsweise in Afrika einsetzen, um dort Menschen zu helfen, die unter dem Kaposi Sarkom leiden, einer Hautkrebsart. Um sie erfolgreich behandeln zu können, muss sie möglichst frühzeitig entdeckt werden.
    "Um das zu erreichen, muss man immer weiter rausfahren von den innerstädtischen Krankenhäusern. Und da gibt es immer weniger Infrastruktur, Strom und Experten. Wir haben also versucht, ein System zu entwickeln, das wenig voraussetzt und trotzdem eine zutreffende Diagnose ermöglicht."
    Einen Prototyp von KS-Detect hat Erickson schon in Kenia und Uganda getestet. Er konnte damit Proben von Malen auf der Haut erfolgreich analysieren. Die Erfahrungen fließen jetzt in Version zwei ein, die noch einfacher handhabbar und noch billiger sein soll. Ein Startup hat sich bereits gegründet, das die Technik vermarkten will. Die Forscher arbeiten unterdessen daran, das System auch für Tuberkulosetests, Stuhl- oder Wasseranalysen einsetzbar zu machen.