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Kieler Studentendemo
"Pro Student ein Stuhl - das wäre cool"

Mehr Geld für unbefristete Dozentenstellen, außerdem Mittel für Gebäudesanierung und Neubauten vor allem für die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer, die dringend mehr Laborplätze benötigen - der Forderungskatalog des Kieler Unipräsidenten ist lang. Jetzt haben die Studierenden protestiert, weil die Uni aus allen Nähten platzt.

Von Dietrich Mohaupt | 11.12.2014
    Es ist kalt, und regnerisch in Kiel – typisch norddeutsches Schietwetter, von dem sich aber ein paar hundert Studenten aus Kiel, Flensburg und Lübeck nicht abhalten lassen. Sie sind heute Vormittag auf die Straße gegangen, um mit einem Protestmarsch von der Christian-Albrecht-Universität bis zum Landtag an der Förde ihrem Ärger Luft zu machen. Der Frust sitzt tief bei den Studierenden, berichtet Steffen Regis vom Asta der Kieler Uni.
    "Wir hatten im Wintersemester jetzt 5.000 Erstsemester, damit hat die CAU insgesamt 25.000 Studierende – die Uni ist für 14.000 Leute ausgelegt – und wir befürchten für 2016, wenn Schleswig-Holstein den doppelten Abiturjahrgang erwartet, dass wir hier aus allen Nähten platzen."
    Vorlesungen sprengen Kapazitäten
    Genau das sei eigentlich schon jetzt der Fall, betont Birgit Friedl, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Kiel. Sie hat es in Übungen regelmäßig mit bis zu 200 Teilnehmern zu tun, die Vorlesungen sprengen inzwischen die Kapazitäten selbst der großen Hörsäle.
    "In diesem Jahr musste ich erstmals eine Vorlesung abbrechen, weil der Hörsaal dermaßen überfüllt war – es waren alle Treppen besetzt, die Türen waren durch Tische blockiert und dann gab es immer noch 100 / 150 Studierende die überhaupt keinen Platz gefunden haben."
    Die abgebrochene Veranstaltung wird natürlich nachgeholt, künftig wird die Vorlesung doppelt angeboten. Die räumliche Situation mit zu kleinen und maroden Hörsälen, ist dabei nur ein Teil des Problems.
    "Mein großes Problem ist, dass ich mit 2,5 Mitarbeitern und meiner Person 1.500 Studierenden gegenüber stehe – das heißt, ein Einzelgespräch ist überhaupt nicht mehr möglich, ich kann die Studierenden nur noch in der Masse unterrichten, in der Masse betreuen."
    Auf Dauer nicht ideal für die Studierenden und vor allem eine untragbare Belastung für die Dozenten, betont Uni-Präsident Lutz Kipp. Zwar gebe es aus dem Hochschulpakt Finanzmittel für mehr Lehrpersonal – damit sei das Problem aber nicht wirklich zu lösen.
    "Weil diese ganzen Hochschulpakt-Stellen, die wir haben, alle nur befristet sind – dieser große Anstieg von Studierenden mit dem Doppeljahrgang im Jahr 2016/17, wo wir perspektivisch pro Jahr wahrscheinlich zu den 5.000 Studienanfängern, die wir jetzt schon haben, noch einmal 3.000 draufkriegen, und dann werden wir 5 bis 6 Jahre lang 28.000 Studierende an dieser Universität haben – und das können wir so nicht bewältigen."
    Untragbare Situation an Hochschulen
    Mehr Geld für unbefristete Dozentenstellen, außerdem Mittel für Gebäudesanierung und Neubauten vor allem für die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer, die dringend mehr Laborplätze benötigen – der Forderungskatalog des Unipräsidenten ist lang. Die zuständige Ministerin Kirstin Alheit hält dagegen: Gut 20 Millionen Euro mehr im Landeshaushalt 2015 für die Grundfinanzierung der Hochschulen, ein Sondervermögen Hochschulbau mit einem Budget von 77 Millionen Euro, dazu weitere Zusagen über 165 Millionen Euro in den nächsten 15 Jahren für Gebäudesanierung – das Land investiere mehr als je zuvor in seine Hochschulen betont die Ministerin. 30 Millionen Euro sollen außerdem nach Auslaufen des Hochschulpakts III im System bleiben, kündigt sie an. Und man wolle künftig mit den Hochschulen bei der Finanzplanung für die allernächste Zukunft eng zusammenarbeiten.
    "Mir ist es tatsächlich ganz wichtig dass wir auch kucken, dass wir jetzt mit den Mitteln einiges auf den Weg bringen. Und deswegen möchte ich eine Strukturkommission einsetzen, wo tatsächlich das Land und die Hochschulen auch mit den Studierenden zusammen kucken, was müssen wir jetzt eigentlich als erstes tun, damit wir an den Hochschulen mit dem Geld jetzt die richtigen und die wichtigen Sachen machen."
    Was diese "richtigen und wichtigen Sachen" wohl sein könnten – davon hatten demonstrierenden Studenten recht klare Vorstellungen. Auf Transparenten forderten sie unter anderem: "Pro Student ein Stuhl – das wäre cool" – nur ein Beispiel für die auch aus ihrer Sicht untragbare Situation an den Hochschulen im Land.
    "Das kann jetzt zwar keiner sehen, aber ich habe den kaputtesten Stuhl der Uni einfach mal mitgenommen, um das zu zeigen... / Entweder ist alles maßlos überbelegt oder es müssen Sachen gestrichen werden, und das darf's ja nicht sein / Man hört ja hier z.B. von den Angerbauten die bei Sturm evakuiert werden müssen, genauso wie Vorlesungen, die komplett überfüllt sind, weil es eben auch nicht genug Dozenten gibt / Die Hoffnung stirbt zuletzt – aufgeben gibt's nicht"