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EU-Kommission
Brüssel sagt Nein zur deutschen Pkw-Maut

Von Jörg Münchenberg | 01.06.2015
    Brüssel geht beim Streit um die Mautpläne endgültig auf Konfrontationskurs gegenüber der Bundesregierung. Per Interview in der "Süddeutschen Zeitung" bekräftigte jetzt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Bedenken seiner Behörde gegenüber dem Vorhaben, deutsche Autofahrer von der geplanten Maut über die KFZ-Steuer vollständig zu entlasten - während die ausländischen Nutzer die Maut bezahlen sollen.
    Das fundamentale Prinzip der Nicht-Diskriminierung müsse beachtet werden, sagte Juncker. Die Kommission habe aber erhebliche Zweifel, dass dies im Gesetzestext gelungen sei. Deshalb müsse Brüssel diese Frage nun in einem Vertragsverletzungsverfahren klären, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof. Ergänzend sagte dazu heute seine Sprecherin Mina Andreeva: "Die rechtliche Prüfung durch den Rechtsdienst der Kommission wird beendet, wenn der Gesetzgebungsprozess in Deutschland formal abgeschlossen ist. Also, wenn der Bundespräsident das Gesetz unterschrieben hat".
    Die Kommission rechnet jedoch mit einer baldigen Unterschrift. Denn schon in der 3. Juni-Woche, so heißt es, könnte das Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. Dann wiederum hat Deutschland acht Wochen Zeit, auf die Brüsseler Einwände zu reagieren. Gibt es keine Einigung, dann könnte also im Herbst das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, Michael Cramer von den Grünen, begrüßte gegenüber diesem Programm den Vorstoß des Kommissionspräsidenten:
    "Das finde ich richtig, das habe ich auch erwartet. Er hätte sich verabschieden können, wenn er sich nicht getraut hätte, dieses Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Dann hätte Deutschland alles machen können. Die gesamte EU ist dagegen. Sein Kabinett hat aber auch dafür votiert. Das ist richtig. Das ist eine Diskriminierung der Ausländer. Und nach Europäischen Gesetz ist eine direkte oder indirekte Diskriminierung nicht gestattet".
    Verkehrsminister weist Kritik zurück
    Die Bundesregierung wies den Vorstoß aus Brüssel unterdessen zurück. Das Gesetz sei europarechtskonform, sagte ein Regierungssprecher. Verkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, wiederum erklärte, die Kommission müsse jetzt ihre Bedenken detailliert vortragen. Rückendeckung bekam Dobrindt auch aus dem EU-Parlament, zumindest von den eigenen Parteifreunden. Markus Ferber:
    "Ich sehe keine Diskriminierung, im Gegenteil. Es kann ja nicht sein, dass der Deutsche zwei Mal zahlen muss: zunächst als Steuerzahler für den Aufbau der Infrastruktur und den Unterhalt. Und dann nochmals über eine Mautgebühr. Deswegen macht es Sinn, dass alle Nutzer herangezogen werden. Die deutschen Nutzer haben den Ausbau des Straßennetzes bereits einmal finanziert".
    Zum 1. Januar 2016 soll die Maut in Kraft treten. Theoretisch könnte die Kommission im Herbst versuchen, sollte kein Kompromiss zustande kommen, das Projekt mithilfe einer Einstweiligen Verfügung – parallel zu einer Klage vor dem EuGH - zu verzögern. Nur eine solche Verfügung hätte aufschiebende Wirkung, sofern der Vizepräsident des EuGH zustimmt.
    Über die weitere Vorgehens- und Verfahrensweise nach der Sommerpause sei jedoch noch nicht entscheiden, heißt es dazu aus Kommissionskreisen. Gleichzeitig gilt: kippt am Ende der EuGH das Mautgesetz, müssten wohl auch die Inländer, also die deutschen Autofahrer, die Straßennutzungsgebühr bezahlen.