"Puppe, icke & der Dicke"

Von Hannelore Heider · 21.11.2012
Alle wollen nach Berlin: Der dicke Bruno sucht ein Familienfoto, die blinde Europe den Vater ihres ungeborenen Kindes und Bomber, der in Paris gescheitert ist. Die drei sind wahrlich naive Helden, denen das Leben nicht den Teppich ausgerollt hat und die trotzdem unbeirrt nach der Sehnsuchtsstadt aller Jungen und Kreativen, nach Berlin marschieren.
Alle wollen nach Berlin in diesem ersten Langspielfilm des jungen deutschen Regisseurs Felix Stienz und doch ist es kein Berlinfilm! Er schickt die drei Helden und ein paar Figuren darum herum auf den Weg in die deutsche Hauptstadt aus oder über Paris. Sie verirren sich auf Landstraßen und Autobahnen, machen Station in Hotelzimmern oder Bars.

Die Wege ans Ziel sind dabei so chaotisch und bizarr, wie die Helden selbst. Und das beginnt mit dem Urberliner Kurierfahrer Bomber (Tobias B.), der aus Frust über den Verlust seines Jobs zum Kriminellen wird, in seiner Traumstadt Paris aber genauso wenig Anschluss findet wie in seiner Heimat Berlin. Fast wäre er seinen späteren Mitfahrern Europe (Stéphanie Capetanidés) und dem Dicken (Matthias Scheuring) schon in Paris begegnet, doch das Zusammentreffen passiert erst unterwegs, denn alle wollen nach Berlin.

Der sprachlose dicke Bruno um nach einem alten Foto seine Familie zu finden, die blinde bildschöne Europe den Vater ihres noch ungeborenen Kindes. Matthias hat sie bei einem romantischen One-Night-Stand geschwängert, der Mann weiß nichts davon und sie nur, dass er Müllmann in Berlin und, wie ein Foto zeigt, ein schöner Mann ist. Die Bedingungen dafür, dass sie sich auf den Straßen Europas doch noch treffen, sind einigermaßen verwirrend und zufällig, aber das nimmt man dem sympathischen Film mit seinen mehr oder weniger behinderten, auf alle Fälle aber schrägen Helden nicht übel, wird er doch trotz all seiner realistischen Anmutung wie ein Märchen erzählt, in dem sich die blinde Europe und der dicke Bruno aus Paris kennen müssen und eine musikalisch ambitionierte Kellnerin das fehlende Bindeglied herstellt.

Der sich ruppig gebende, leicht kleinwüchsige Gernegroß Bomber mit seinem goldenen Herzen, der unbeholfen liebenswerte stumme Dicke und die um ihr Glück kämpfende Europa sind wahrlich naive Helden, denen das Leben nicht den Teppich ausgerollt hat und die trotzdem unbeirrt nach der Sehnsuchtsstadt aller Jungen und Kreativen, nach Berlin marschieren.

Zu denen gehören auch die vielen jungen Musiker, die ein bisschen auf Kaurismäki-Art den Film und seine unterschiedlichen Kapitel strukturieren - eine Übung, die zum charmanten Freigeist des Filmes gehört, für den Zuschauer aber auch manche Hörattacken bereithält. Den Gästen des Max-Ophüls-Filmfestivals war er ihren Publikumspreis wert.

D 2012, Regie: Felix Stienz, Darsteller: Stéphanie Capetanidés, Tobi B. (Tobias Böttcher), Matthias Scheuring, 87 Minuten, o.A.

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