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Ausbrüche aus der JVA Plötzensee
Eine traurige Tradition

Nach der Flucht von neun Insassen aus der JVA Plötzensee hat der Berliner Justizsenator eine Kommission aus Sicherheitsexperten berufen. Sie sollen nach Lücken bei den Schutzmaßnahmen fahnden. Dabei ist die jetzige Fluchtserie keine Ausnahmeerscheinung: Aus der JVA Plötzensee entweichen regelmäßig Insassen.

Von Daniela Siebert | 03.01.2018
    Überwachungskameras an der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee am Morgen des 02.01.2018 in Berlin.
    Erneut sind zwei Häftlinge aus dem Gefängnis in Berlin-Plötzensee entkommen. Die Gefangenen sollen am 01.01.2018 aus dem offenen Vollzug entwichen sein. (dpa / Paul Zinken)
    Rücktritt - daran verschwendet der Berliner Justizsenator derzeit keine Gedanken, das machte er heute beim Pressetermin vor Ort in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee auf seine Art klar.
    Erst auf die dritte Reporternachfrage zu den Rücktrittsforderungen sagte der Grünenpolitiker Dirk Behrendt: "Jetzt steht im Vordergrund: die Aufklärung, was ist hier passiert? Insbesondere bei dem Ausbruch aus dem geschlossenen Vollzug. Wir haben morgen die rechtspolitischen Sprecher auch hier in die Anstalten eingeladen. Es ist ja Transparenz gefordert worden und das steht jetzt im Vordergrund und alles andere bewegt mich momentan nicht zentral."
    Sicherheitsexperten sollen nach Lücken fahnden
    Nachdem er in den letzten Tagen zu dem heiklen Thema immer seinen Pressesprecher vorgeschickt hatte, äußerte er sich jetzt am Ort des Geschehens. Der Justizsenator hat eine Kommission aus Sicherheitsexperten berufen, die nach Lücken bei den Schutzmaßnahmen fahnden sollen. Morgen will er den rechtspolitischen Sprechern der Abgeordnetenhausfraktionen die Situation demonstrieren. Weitere Sofortmaßnahmen.
    "Wir haben mehr Personal für die Sicherung auch im Außenbereich, auch in den Nachtstunden, und wir haben auch einzelne Gefangene aus dem offenen Vollzug in den geschlossenen Vollzug, damit sie hier nicht entweichen können."
    Denn tatsächlich werden Nachahmer-Taten befürchtet.
    Sieben von neun entwichenen Häftlinge fehlen noch
    Derweil fehlen noch sieben der neun entwichenen Häftlinge. Drei von den tatsächlichen Ausbrechern, die eine Fensterstrebe durchsägen konnten und so aus einem Heizungsraum entkamen, der für sie eigentlich nicht zugänglich sein sollte. Außerdem werden noch vier Insassen aus dem offenen Vollzug vermisst, von denen ebenfalls unklar ist, wann und wie sie entkamen. Ein Entwichener konnte inzwischen von der Polizei zuhause abgeholt werden, ein zweiter stellte sich in Begleitung eines Rechtsanwaltes. Die Fluchtpläne und -wege der Häftlinge wurden heute in der JVA nicht näher erklärt. Wie genau das alles passieren konnte auch nicht. Gefängnisleiter Uwe Meyer-Odewald nahm sein Personal vorsorglich in Schutz.
    "Ich bin seit 25 Jahren im Geschäft und ich gehe erstmal davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen des Strafvollzugs, die eine sehr sehr schwierige Arbeit machen, mit schwierigen Menschen, in einem schwierigen politischen Umfeld agieren, ordnungsgemäß ihre Arbeit verrichten. Wir werden keine Vorverurteilung vornehmen, wir werden uns das sachlich uns ruhig ansehen."
    Keine Ausnahmeerscheinung
    Trotzdem wurde durch die jetzige Fluchtserie der Öffentlichkeit erst jetzt wirklich vor Augen geführt, dass Berlin hier eine traurige Tradition hat: Egal unter welchem Justizsenator entweichen aus der JVA Plötzensee im offenen Vollzug regelmäßig Insassen. 2016 unter CDU-Senator Thomas Heilmann waren es 43. Letztes Jahr unter dem Grünen-Senator Behrendt fast genauso viele: 42.
    Einziger Trost für die Berliner: in diesem Bereich verbüßen die Häftlinge üblicherweise "Ersatzhaftstrafen". Die Delikte sind typischerweise Schwarzfahren oder Diebstahl. Die Fahndung nach den drei ausgebrochenen Männern, die wegen Erpressung und bewaffnetem Diebstahl einsitzen müssten, läuft derweil auf Hochtouren. Nichtöffentlich.