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Pläne für Anti-Terror-Einheit
"Zusammenstoppeln der Länder ist nicht der richtige Weg"

Die deutsche Polizei hat nach Ansicht des CDU-Innenpolitikers Armin Schuster noch nicht die Professionalität, um schnell auf Terroranschläge zu reagieren. Schuster sagte im Deutschlandfunk, es fehle eine gut ausgestattete und trainierte, zentrale Einheit mit ausreichend Kräften.

Armin Schuster im Gespräch mit Christiane Kaess | 21.03.2015
    Armin Schuster (CDU), Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Bundestages
    Armin Schuster (CDU), Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Bundestages (dpa / Paul Zinken)
    Nach den Terroranschlägen in Paris, Kopenhagen und Brüssel sei ein Lücke bei den Sicherheitsbehörden festgestellt worden, sagte der Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Bundestages, Armin Schuster, im Deutschlandfunk. "Wir gehen davon aus, dass ein Bundesland sehr, sehr schnell in die Lage käme, sofort Hilfe zu benötigen. Und dann, glaube ich, ist das Zusammenstoppeln bei 15 Nachbarländern einfach nicht der richtige Weg." In solchen "Speziallagen" sei eine Einheit nötig, die tagelang nach Tätern fahnde, Räume absperre und schütze. "Dafür möchte ich die GSG 9 nicht verschleißen."
    Für diese Einheit müsse der Bund zuständig sein, sagte Schuster, der selbst jahrelang in Führungspositionen bei der Bundespolizei beschäftigt war. An der Zuständigkeit der Länder bei Polizeiaufgaben müsse aber nichts geändert werden. Das Zusammenspiel und die Schnelligkeit zwischen verschiedenen Ländern und dem Bund müsse erprobt werden. Es gebe "da noch nicht die Professionalität, die wir in einer solchen Lage brauchen; es geht ja vorwiegend um Schnelligkeit dann", sagte Schuster. "Dass wir jeden Polizisten zum Anti-Terror-Spezialisten machen, das geht nicht."
    Schuster sagte, er erwarte, dass "alle Länder in dem Sinne, in dem Thomas de Maizière jetzt vorgeht, auch ihre Hausaufgaben machen". In der Innenministerkonferenz sei signalisiert worden, dass die Idee des Bundesinnenministers nicht aufgehalten werde.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Bundesinnenminister de Maizière von der CDU erhält mit seinen Überlegungen zum Aufbau einer neuen Antiterroreinheit bei der Bundespolizei Rückendeckung von der Union und auch dem Koalitionspartner SPD.
    Wenn man die jüngsten Anschlagsszenarien auf Deutschland übertragen würde, gäbe es auch hierzulande gewisse Defizite, das sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Stephan Mayer von der CSU heute in der "Mitteldeutschen Zeitung", und ähnlich äußert sich der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag Burkhard Lischka, nach den Anschlägen in Paris und Kopenhagen könne niemand ausschließen, dass es auch in Deutschland einen solchen Terroranschlag gebe.
    Oliver Malchow, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, der steht den Plänen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière allerdings auch skeptisch gegenüber. Er sagte heute Morgen im Deutschlandfunk:
    Oliver Malchow: Sein Vorschlag, Geld einzufordern für eine bessere Schutzausstattung seiner Polizeidienststellen, also der Bundespolizei, des BKAs und auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ist richtig. Weil auch die Aufgaben, die er zu erledigen hat, defizitär sind. Insofern ist das genau der richtige Weg. Insofern unterstützen wir ihn auch. Nur sagen wir, wir brauchen keine neue Einheit. Weil Einheiten auch auf Bundesebene bestehen. Den Weg, den er geht, den müssen nur auch all die anderen Länderinnenminister gehen, also mehr Geld einfordern, damit auch dort eine bessere Schutzausstattung und Einsatzfähigkeit und natürlich auch ausreichend Personal zur Terrorbekämpfung.
    Kaess: sagt Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Und am Telefon ist jetzt Armin Schuster von der CDU. Er ist Obmann der Unionsfraktion im Bundestag-Innenausschuss und er war selbst lange bei der Bundespolizei in unterschiedlichen Führungspositionen. Guten Tag, Herr Schuster!
    Armin Schuster: Schönen Mittag, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Schuster, mehr Geld: ja, aber keine neue Einheit. Hat Oliver Malchow da recht?
    Schuster: Nein, hat er nicht, weil wir natürlich sehr genau die Anschläge analysieren und übertragen darauf, wie wäre es in Deutschland gewesen. Man muss wissen, dass in Deutschland immer ein Bundesland die Zuständigkeit hat für die Bewältigung einer Terrorlage. Und wir gehen davon aus, dass ein Bundesland sehr, sehr schnell, wenn Sie Paris, Kopenhagen, Brüssel oder Tunis nehmen, in die Lage käme, sofort Hilfe zu benötigen. Und dann, glaube ich, ist das Zusammenstoppeln bei 15 Nachbarländern einfach nicht der richtige Weg.
    Unsere Idee ist eigentlich, dass der Bund die Aufgabe hat, für solche Speziallagen Verbände bereitzuhalten, die schnell abrufbereit sind und möglichst bald am Einsatzort verfügbar stehen.
    Kaess: Das heißt also, Herr Schuster, wenn wir so eine neue Einheit brauchen, dann sind wir bisher nicht genügend gut ausgestattet?
    Schuster: Wir sind schon gut ausgestattet, aber die ...
    "GSG 9 nicht für Raumschutz verschleißen"
    Kaess: Dann bräuchten wir keine neue Einheit!
    Schuster: Die Art und Weise der Anschläge hat sich gewaltig verändert. Heute plant ein Terrorist nicht mehr, wie es Al Kaida früher gemacht hat, große Anschläge – denken Sie an 9/11 mit gigantischem Aufwand –, sondern es sind kleine vernichtende Anschläge mit wenig Vorbereitung, aber starker Wirkung. Und da sind wir aus meiner Sicht in der Phase eins noch nicht optimal vorbereitet, wenn der normale Schutzpolizist damit konfrontiert ist. Den müssen wir besser ausstatten, da sind wir dran.
    Wir sind für die Phase drei, wenn es um einen gezielten Zugriff geht, gut vorbereitet, weil wir die GSG 9 und die Spezialeinsatzkommandos haben. Aber wenn Sie an die Phase in Paris denken, wo Sie tagelang nach Tätern fahnden, wo Sie suchen, wo Sie absperren, Raumschutz und so was machen, da fehlen uns Kräfte, die dafür ausgestattet und trainiert sind, und vor allen Dingen in der genügenden Anzahl, das müssen Sie ja tagelang durchhalten. Dafür möchte ich GSG 9 nicht verschleißen.
    Kaess: Dann brechen wir es doch mal ganz konkret runter auf eine konkrete Situation: Wenn wir jetzt einen Terroranschlag in Deutschland hätten, wo wäre denn genau die Lücke?
    Schuster: In der Phase, wo die Schutzpolizei als Erster am Tatort ist.
    Kaess: Schutzpolizei heißt Polizei der Länder?
    Schuster: Genau. Dann ergreift das Landesinnenministerium die Führung und merkt hochwahrscheinlich, wenn Sie an den Bremen-Fall denken, wenn das ernst geworden wäre, unsere Kräfte reichen nicht. Dann käme der Hilferuf ans Bundesinnenministerium und von dort könnten dann luftverlastet Spezialeinheiten zur Verfügung gestellt werden, um in der zweiten Phase – Fahndung, Umstellung eines Gebäudes, eventuell auch schwerer bewaffneter Kampf – eingreifen zu können. Und dann haben wir in Phase drei gut vorbereitet, wenn Sie in ein solches Objekt rein müssen und müssen schwerbewaffnete Täter festnehmen, dann haben wir die GSG 9. Aber diese mittlere Phase, da sind wir noch nicht optimal aufgestellt.
    "Länder müssen ihre Hausaufgaben machen"
    Kaess: Jetzt haben Sie, Herr Schuster, selbst schon darauf hingewiesen, dass die Länderpolizeien eigentlich zunächst einmal bei Terrorakten zuständig sind. Müssten sich nicht also die Innenminister der Länder, müssten die nicht Überlegungen anstellen, ihre Polizei fitter zu machen, anstatt dass jetzt der Bundesinnenminister über eine neue Einheit auf der Bundesebene nachdenkt?
    Schuster: Also, ganz klar, ich erkenne auch diese Gedanken mittlerweile in der Innenministerkonferenz, wenn Sie sich den Chef der Innenministerkonferenz zurzeit anhören, den rheinland-pfälzischen Innenminister. Es müssen alle Länder in dem Sinne, in dem Thomas de Maizière jetzt vorgeht, auch ihre Hausaufgaben machen.
    Kaess: Und wie könnten Sie das vereinbaren mit der Schuldengrenze?
    Schuster: Ich bin davon überzeugt, dass die Investition in die innere Sicherheit ... Da sprechen wir, wenn Sie jetzt davon ausgehen, der Bund macht jetzt 380 Millionen Euro für drei Jahre, das sind keine Beträge, die wir nicht trotz Schuldengrenze hinkriegen können.
    Ich bin da fest von überzeugt. Gerade jetzt, wo unsere Haushalte gut laufen, dass, ich sage mal, der Return, den Sie kriegen bei Sicherheit, so hoch ist, das Geld rechnet sich immer. Bin sowieso nicht ganz begeistert, wenn man Geld und Sicherheit gegeneinander aufrechnet, das verzeihen einem übrigens die Bürger nie, wenn ihr Sicherheitsempfinden nicht mehr so ist, dass sie sagen, ich lebe gerne und sicher hier.
    Also, ich bin davon überzeugt, dass das geht. Lewentz, der Innenministerkonferenzchef sagte ja, wir werden Herrn de Maizière nicht aufhalten, wenn er die Idee hat, so eine Einheit aufzubauen. Und das werte ich schon ganz klar als ein Indiz, dass die Innenminister auch die Notwendigkeit sehen, dass wir so etwas zentral vorhalten.
    "Zusammenspiel zwischen einzelnen Ländern und dem Bund muss erprobt werden"
    Kaess: Aber Sie sagen letztendlich eben auch, es muss sich in den Ländern was ändern. Müssen sich denn auch vielleicht Zuständigkeiten verändern, also weg von der Landespolizei, mehr hin zur Bundespolizei für solche möglichen Terroranschläge?
    Schuster: Nein, das würde ich nicht antasten. Aber ich sehe einen Bedarf, das sehe ich ganz klar. Ich glaube, dass die Zuständigkeiten so bleiben müssen, wie sie sind, aber für Lagen wie in Bremen, in Niedersachsen, Sie denken an den Braunschweiger Karnevalsumzug oder irgendeine Terrorgefahr, da glaube ich, dass das Zusammenspiel und die Schnelligkeit zwischen verschiedenen Ländern – vor allem, wenn es mehrere Tatorte gäbe – und dem Bund erprobt werden muss. Also, ehrlich gesagt, glaube ich, dass wir da noch nicht die Professionalität haben, die wir in einer solchen Lage brauchen. Es geht ja vorwiegend um Schnelligkeit dann.
    "Dass wir jeden Polizisten zum Antiterrorspezialisten machen, das geht nicht"
    Kaess: Ja. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag Burkhard Lischka, von dem stammt der Satz, ein normaler Schutzpolizist könne sich mit seiner Ausrüstung gar nicht erfolgreich gegen Extremisten in den Weg stellen. Müssen wir damit rechnen, dass wir künftig nur noch hochgerüstete Polizisten auf den Straßen sehen?
    Schuster: Nein. Das geht gar nicht. Weil ... Das berühmte Beispiel Paris, die Kalaschnikow ... Die Schutzweste, die einen Kalaschnikowbeschuss aushält, können Sie nicht jedem Streifenpolizist zumuten, da brauchen Sie eine Weste von 30 Kilo. Das wird nicht gehen. Deswegen ist unser ... Das ist der wundeste Punkt, den wir haben, die Phase eins.
    Der Tatort und die ersten herbeieilenden Polizisten, die müssen wir besser ausstatten. Da gibt es auch Möglichkeiten. Aber dass wir jeden Polizisten zum Antiterrorspezialisten machen, das geht nicht. Deshalb ist ja die Idee – deshalb verstehe ich Herrn Malchows Kritik nicht –, dann binnen kürzester Zeit, Stunde oder zwei Stunden, spezialisierte und gut ausgestattete Leute, meistens luftverlastet, an diesen Einsatzort zu bringen. Das konnte auch Paris übrigens nicht. Das ist aus meiner Sicht jetzt genau richtig.
    Kaess: Sagt Armin Schuster von der CDU. Er ist Obmann der Unionsfraktion im Bundestag-Innenausschuss. Danke für das Gespräch!
    Schuster: Ich danke auch, auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.