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Dammriss

Schwangere fürchten ihn, Frauen, die ein Kind geboren haben, kennen das Problem und machen sehr unterschiedliche Erfahrungen damit: der Dammriss. Immer noch ist umstritten: Was ist besser - Schnitt oder Riss?

Von Ulrike Burgwinkel | 02.12.2014
    Eine schwangere Frau hält ihren Bauch.
    Schwangere fürchten ihn: den Dammriss. (dpa/Fredrik von Erichsen)
    "Der Dammriss ist ein Riss des Dammgewebes, also des Gewebes zwischen Scheide und After."
    Dr. Monika Ringel-Niemzik ist Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
    "Ein Einriss, der während der Geburt passiert, in der Regel in der Mitte Richtung After. Es gibt verschiedene Schweregrade, die werden eingeteilt in 4 verschiedene Stufen. Die 1. Stufe ist nur das Einreißen der Haut, was meistens überhaupt nicht genäht werden muss. Die 2. Stufe geht dann schon tiefer in den Bereich der Muskulatur und die nächste Stufe dann an den Schließmuskel des Afters hinein und eine nächste Verschlimmerung wäre dann, dass auch die Muskulatur des Afters mit betroffen ist."
    Letzteres kommt relativ selten vor. Außer beim leichten Einreißen der Haut in Stufe 1 wird der Dammriss genäht. Nach dem Austritt der Plazenta setzt die Ärztin in der Regel eine lokale Anästhesie und verbindet das verletzte Gewebe mit kleinen Stichen. Ist die Entbindung unter einer Periduralanästhesie erfolgt, dann entfällt die lokale Betäubung. Vermeiden lässt sich ein Dammriss nicht immer.
    "Eine Situation, unter der Dammrisse gehäuft passieren, ist wenn Geburten sehr schnell passieren, was ja manchmal durch die Kraft der Natur einfach passiert, dass der Kopf sehr schnell den Beckenkanal durchtritt und das Gewebe gar keine Gelegenheit hat, sich entsprechend zu dehnen, und gerade in den Fällen kommt es natürlich manchmal leider eben auch zu Rissen, die dann den Darm betreffen können."
    Vorbeugetechniken während der Geburt
    Sowohl die Gebärenden als auch die Hebammen und ärztlichen Geburtshelfer versuchen, den Riss des Dammgewebes zu verhindern. Patricia Meckenstock ist leitende Hebamme am Florence Nightingale Krankenhaus in Kaiserswerth.
    "Es gibt wenig Sachen, die wirklich etwas helfen. Natürlich ist eine gute Damm-Massage, die kann man machen, die erhöht die Elastizität des Dammes. Es gibt so ganz merkwürdige Geräte, die dehnen den Damm vor, da wird Luft quasi aufgepumpt und das soll den Damm dehnen. Ich finde das ein bisschen unangenehm. Ich empfehle das keiner Frau. Eine Dammmassage empfehle ich schon. Die Vorbereitung für sich selber auf die Geburt, dass man ein Körpergefühl auch kriegt."
    Eine junge Mutter, die gerade ihr zweites Kind bekommen hat:
    "Bei diesem Mal nicht, ich hatte dieses mal nicht damit gerechnet, dass es ganz so früh kommt, beim letzten mal hatte ich mich vorbereitet mit Dammmassage und es gibt auch weitere Möglichkeiten, das Gewebe ein bisschen zu dehnen, einfach dem vorzubeugen. Beim ersten Kind schon, beim zweiten Kind nicht."
    Weiterhin gibt es natürlich entsprechende Techniken der Vorbeugung unter der Geburt, den sogenannten "Dammschutz".
    "Klassischerweise hält man mit einer Hand so ein bisschen den Damm und mit der anderen Hand versucht man das Durchtrittstempo des Köpfchens zu regulieren. Ich hatte mal eine holländische Hebamme, die hier hospitiert hat, die hat gesagt (lacht): Wir stopfen den Kopf zurück, also das machen wir nicht, sondern wir helfen, das Durchtrittstempo zu regulieren."
    "Das ist mit Sicherheit der Tatsache geschuldet, dass es das 2. Kind war, dass das einfach ein bisschen leichter ist und dadurch, dass aber der Dammschutz gewesen ist, ist an der gleichen Stelle durch die Narbe das Gewebe schon vorgeschädigt und dann kann das leichter passieren. Die Hebamme war sehr gut, hat da sehr gut aufgepasst, hat das Kind gut rausgeführt. Es ist ein bisschen gerissen, aber ich denke, das ist normal und das wird auch jetzt wieder schnell abheilen, da bin ich ganz positiv gestimmt."
    Entscheidung nach Geburtsposition
    In Bezug auf den klassischen Dammschutz gehen die Meinungen bei den Hebammen sehr stark auseinander. Die Extrempositionen gehen von "das Beste, was man machen kann" bis zu "das bringt gar nichts". Patricia Meckenstock.
    "Ich bin der Meinung, dass seit wir eine andere Geburtshilfe machen als vor 20 Jahren, nämlich das Power-Pressen abgeschafft haben, die Frau einfach mit schieben lassen, so wie sie das möchte. Weil diese klassische Lage, wo die Frau dann so aufgebahrt sitzt und der Gynäkologe davor und die von Anfang bis Ende mitpressen lässt: Das ist natürlich für den Damm Gift."
    Immer aber, so betont die Hebamme, entscheide die Frau selbst, welche Position sie einnehmen möchte. Patricia Meckenstock sieht aber aus ihrer Erfahrung die Vorzüge einer variablen Gebärhaltung.
    "Ich plädiere einfach wirklich darauf, dass man sich die Geburtsposition anguckt, weil ich finde, das ist das A und O für Dammrisse. Je optimaler die Geburtsposition ist, je aufrechter, vielleicht auch im Wasser, oder vielleicht auch in Seitenlage, ist wesentlich entlastender für den Damm und vor allem: kein Powerpressen."
    Eine weitere Maßnahme zur Vorbeugung eines Dammrisses ist der Dammschnitt. Vor rund 20 Jahren noch als Königsweg geltend, wird er heute seltener angewendet. Monika Ringel-Niemzik:
    "Natürlich ist auch der Dammschnitt heute noch von Bedeutung; denn es gibt immer Situationen, in denen zum Beispiel durch Sauerstoffmangel des Kindes die Geburt schneller beendet werden muss oder sichtbar ist, dass das Kind anders leidet und dann wird mittels des Dammschnitts mehr Platz gemacht in dem Bereich, auch bei Frühgeburten zum Beispiel wäre das notwendig."
    "Bei diesem Mal einen leichten Dammriss, beim ersten Kind musste ein Dammschnitt gesetzt werden, aber das war auch gut so, das war völlig unproblematisch, auch nachher mit der Abheilung. Das Köpfchen musste eben durchkommen und dann musste entschieden werden, ob man das Gewebe von allein reißen lässt, was häufig geht, aber bei manchen Situationen ist es einfach besser, wenn man gezielt schneidet, damit nicht etwas kaputt geht, was nicht mehr gut zusammenwachsen kann und nachher funktionelle Schäden bedeuten würde/ Das geht dann auch sehr schnell, man selber merkt das gar nicht so sehr zum Glück und da konnte das Kind schnell zur Welt kommen und war gesund da und das war für mich in dem Moment einfach das Wichtigste."
    "Man lässt heute eher reißen"
    Obligat ist ein solcher Dammschnitt bei Entbindungen mit Saugglocke oder Zange, weil dann einfach mehr Platz geschaffen werden muss, so die Ärztin.
    "Es wird mit der Schere geschnitten und es wird dann geschnitten, wenn das Gewebe unter Druck ist und extrem gedehnt ist, sodass das in dem Moment auch nicht schmerzhaft ist, aber es ist schon ein chirurgischer Eingriff.
    Deshalb entscheiden Ärztin und Hebamme sich nur dann für einen Schnitt, wenn es unbedingt erforderlich ist. Patricia Meckenstock:
    "In der Regel macht man es heute eigentlich nicht mehr, man lässt eher reißen, es reißt ja immer an der Stelle, klassisch: Die dünnste Stelle, da ist weniger Muskulatur, weniger Gefäße, und das heilt natürlich auch viel besser, ist für die Frauen viel angenehmer zu ertragen."
    "Der Dammriss verursacht natürlich in der Phase nach der Geburt zunächst mal Schmerzen, wie sie eben eine frische Wunde verursacht, aber eigentlich ist das relativ kurzzeitig und die Heilung in dem Bereich ist auch ausgesprochen gut, das hat die Natur schon gut gemacht und selten sieht man später Folgen von so einem Dammriss."
    "Es ist so, dass es in den ersten 5-7 Tagen etwas unangenehm ist, man hat da einen Bluterguss drin, sodass man versucht, seine beste Sitzposition zu finden, aber man wundert sich wirklich, wie schnell und wie gut das abheilt."